Gritzner R

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HAD
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Gritzner R

#1 Beitrag von HAD »

Hallo alle Oldie Fans,

ans Nähmaschinenverzeichnis habe ich wieder mal einen längeren Bericht über eine Gritzner R der ersten Bauart abgeliefert. Er wird wohl in Kürze veröffentlicht. Die Maschine kam als Singer-Maschine gekauft zu mir, wpbei mir schon beim Angebot auffiel, dass es was anderes sein musste. Eigentlich hatte ich sie als Handkurbelspender gekauft, aber dafür war sie zu gut. Wie kommt aber das Konterfei Singers auf eine sicher nicht von Singer stammende Maschine? Ein weiteres Rätsel war das Hamburger Stadtwappen auf der Maschine. Eine Gritzner R war schnell erkannt, nachdem ich ja schon Tausende von Nähmaschinenfotos aus dem Netz gefischt habe. Hier wurde massiv Etikettenschwindel betrieben. Dieser ist so misteriös, so dass ich viel geforscht habe. Natürlich kann ich die Ergebnisse nicht als sichere Herkunftsgeschichte belegen, aber was ich über deutschen Nähmaschinenexport in deutsche und fremde Kolonien aus Büchern und Internetveröffentlichungen herausgefunden habe, war so interessant und fast vergessen, dass ich es einfach zusammenschreiben musste. Möglich ist die Herkunft der Maschine über diese verschlungenen Wege allemal.

Die Handkurbelmaschine ist in einem erstaunlich guten Zustand, besass das Originalschiffchen samt Spule und funktioniert mit wenig Nachölung hervorragend. Sie besitzt sogar noch den unbeschrifteten Original-Holzkoffer samt Grundplatte, wenn auch etwas lädiert.

Viel Spass beim Lesen bald im Nähmaschinenverzeichnis.

Grüße
Harald
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Singer 12, 48K, 28K, 66K, 15D, 677G; Pfaff B, 30, 230, 84, 208; Bisolt und Locke Wettina Media; Gritzner R; Dürrkopp B; Haid und Neu Gloriosa B; Quelle/Haid und Neu Mercedes de Lux; Mundlos Victoria; Podolsk 142; Neckermann/Kochs 819/00; Babylock EA-605.

Twassbrake
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Re: Gritzner R

#2 Beitrag von Twassbrake »

Sehr schöne Maschine die du dir da geangelt hast. Herzlichen Glückwunsch! Und ja viel zu schade um sie als Ersatzteilspender zu missbrauchen aber sind sie das nicht immer?

Die Plakette mit dem Hamburger Wappen ist eine Händlermarke, genauer gesagt von Silberg in Hamburg.

Wenn ich später noch mehr Zeit habe schreibe ich mal noch etwas mehr, jetzt muss ich erst mal wieder los.
Ich habe zu viele Maschinen, die passen nicht alle in die Signatur! biggrin

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det
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Re: Gritzner R

#3 Beitrag von det »

Twassbrake hat geschrieben:Die Plakette mit dem Hamburger Wappen ist eine Händlermarke, genauer gesagt von Silberg in Hamburg.

Wenn ich später noch mehr Zeit habe schreibe ich mal noch etwas mehr, jetzt muss ich erst mal wieder los.
Das Wappen ist von J. Silberberg, soviel Zeit muss sein wink

Siehe auch hier.

@Harald: Deine Gritzner R ist viel schöner als meine grüne dodgy

Gruß
Detlef
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HAD
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Re: Gritzner R

#4 Beitrag von HAD »

Danke

für den wichtigen Hinweis, ich habe diesen trotz ausgiebiger Suche nicht gefunden, obwohl Needlebar schon zu meinen Quellen zählt. Es wäre auch ein Zufallstreffer gewesen, wenn man nicht nach dem Namen sucht. Den muss man aber kennen.

Das muss ich noch in meinem Text für das "Museum" nacharbeiten.

Gruß
Harald
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det
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Re: Gritzner R

#5 Beitrag von det »

HAD hat geschrieben:Danke für den wichtigen Hinweis, ich habe diesen trotz ausgiebiger Suche nicht gefunden, obwohl Needlebar schon zu meinen Quellen zählt. Es wäre auch ein Zufallstreffer gewesen, wenn man nicht nach dem Namen sucht. Den muss man aber kennen.
Ich kenne es nur, weil meine Frau eine alte Nova besitzt, die auch das Silberberg-Logo hat. Ludger aka AntikSew aus dem blauen Forum gab mir damals die Info.

Gruß
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Re: Gritzner R

#6 Beitrag von Twassbrake »

So,

erst einmal upps, natürlich Silberberg. Da war die Tastatur wohl nicht schnell genug. angel

Silberberg hatte sich als Exporteur von Nähmaschinen verschiedenster Marken einen Namen gemacht. Neben Gritzner hatte er auch Anker-Maschinen (bzw. Hengstenberg) im Sortiment. Diese Maschinen waren dann Sonderanfertigungen, quasi die Vorgänger von Quelle, Neckermann und anderen Verkaufshäusern die Nähmaschinen bei namhaften Herstellern bauen ließen und unter eigenem Namen weiter verkauften. Für Anker ist z. B. der Berliner Händler Littauer wichtig gewesen, für Dürkopp scheint Lewenstein aus Amsterdam eine Rolle gespielt zu haben.

Fast alle namhaften deutschen Nähmaschinenhersteller hatten immer auch Singer-Nachbauten mit im Programm. Für etliche von ihnen waren das die ersten Modelle überhaupt. Auch später als man eigene Entwicklungen auf den Markt brachte behielt man diese im Sortiment. Der Name Singer war bekannt und wurde nicht selten als Synonym für Nähmaschine gebraucht. Darüber hinaus waren sie relativ günstig nachzubauen. Man hatte keine Entwicklungskosten, das Marketing hielt sich in Grenzen da der Name Singer bekannt war. Singer war praktisch in ständigen Streit um die Patentrechte, konnte aber nur bedingt etwas ausrichten.
Clevere Hersteller wie Gritzner pappten einfach eine Plakette mit dem Namen Singer so wie oben drauf und behaupteten sie wollten doch nur an die großen Taten von Singer erinnern. "Wer hat denn gesagt das es sich um eine Nähmaschine aus dem Hause Singer handelt? Wir doch nicht! Das war doch nur eines unserer Sondermodelle für unseren guten Händler Silberberg! Da müssen sie etwas falsch verstanden haben" Du siehst wie so etwas geht? Nicht zu vergessen dass es in jenen Zeiten ohne Internet und Globalisierung viel einfacher war Patentrechte zu umgehen. Auch Maschinen der amerikanischen Marken Willcox & Gibbs und Wheeler & Wilson wurden vielfach kopiert. Nichts desto Trotz genießen die Bauten deutscher Nähmaschinenhersteller jener Zeiten ( Eigenentwicklungen und Nachbauten) auch heute noch einen hervorragenden Ruf, weil sie vielfach in ihrer Ausführung unglaublich gut gebaut sind. Manchmal eben sogar besser als das Original.
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Re: Gritzner R

#7 Beitrag von Melora »

Hast du die Maschine zufällig aus eBay und aus Andernach bzw. Umfeld? Sie kommt mir so bekannt vor - meine Arbeitskollegin hat eine ganze Nähmaschinen-Armee verkauft, da ihr Ex-Mann verstorben war der diese gesammelt und restauriert hat. Daher würde es auch nicht wundern dass sie in so einem guten Zustand war ;).

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Klaus_Carina
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Re: Gritzner R

#8 Beitrag von Klaus_Carina »

Interessant finde ich die aktuell in der Bucht angebotene
Artikelnummer:222156392643 -

und zwar die Plakette:
Dort steht eindeutig SINGER MANUFACT. CO und ein S-ähnliches Signet.

Schaut man aber auf der Signet.Plakette an den unteren Rand, dann sitzt dort
m.E. eindeutig die Gritzner-Spinne .
Anker DZ-BR, F, RZ Auto,
ELNA II (BR1 u.3), Transforma,
Gritzner FK, FZ, GU, GU-K, HZB, VG, VZ,
Haid & Neu LZ, Primatic,
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Phoenix 353 A, 383 8K, ZZ Gloria,
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Re: Gritzner R

#9 Beitrag von Twassbrake »

Klaus_Carina hat geschrieben:Interessant finde ich die aktuell in der Bucht angebotene
Artikelnummer:222156392643 -

und zwar die Plakette:
Dort steht eindeutig SINGER MANUFACT. CO und ein S-ähnliches Signet.

Schaut man aber auf der Signet.Plakette an den unteren Rand, dann sitzt dort
m.E. eindeutig die Gritzner-Spinne .
Also ich müsste mich sehr irren, aber das ist eine echte Singer, ich glaube 31K (?) mit den Early 20th century decals. Eine Gritzner-spinne sehe ich aber auch nicht.
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HAD
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Re: Gritzner R

#10 Beitrag von HAD »

Hallo Alle,

ja das ist eine Singer-Maschine und da ist keine Gritzner Spinne, sonst wären alle meine Singer Maschinen von Gritzner biggrin . Nein, meine Maschine kommt auch nicht aus Andernach, sondern aus Geilenkirchen. Sie war auch nicht restauriert, zwar in einem technisch guten Zustand aber der Kofferkasten hatte einige Blessuren. Ich denke sie stammt aus einer Haushaltsauflösung in den Niederlanden.

Da meine Maschine um 1913 hergestellt wurde, wenn ich die Gritzner Serienummer richtig deute, war die Zeit der deutschen Singer-Plagiate eigentlich vorbei. Deutsche Hersteller hatten längst den europäischen Markt erobert, durch bessere und modernere Technik. Allerdings bereitete die agressive Teilzahlungs-Verkaufsstrategie Neidlingers in Hamburg wie man bei Peter Wilhelm und anderswo nachlesen kann erhebliche Probleme. Gritzner verkaufte seine Maschine oft ohne Markenzeichen an Händler, wenn es Stückzahlen brachte, Theobald Acht (Aachen, Eveline=Gritzner R), Martin Decker (Mannheim), Carl Leich (Kassel), Schürhoff (Gevelsberg) sind einige Namen, die man anführen kann und sicher nach eurer Hilfe identifiziert auch die Firma Silberberg in Hamburg. Nur bezweifle ich dass Silberberg sich 1913 noch mit Neidlinger angelegt (da ist wieder der Engel von "a n g e l egt") hätte, denn Singer hatte jetzt in Deutschland als deutscher Hersteller in Wittenberge alle Möglichkeiten die Markenrechte durchzusetzen. Warum sollte es auch Gritzner zulassen, dass für den größten Konkurrenten seiner Fabrik, die noch Marktführer war, Werbung für Singer in den Niederlanden gemacht wurde. Silberberg war da auch weiter weg als T. Acht in Aachen und ein Umweg-Transport Durlach-Hamburg-Niederlande kostete damals noch richtig viel.

Ein Schlüssel scheint mir der nachgewiesene Handel der Fa. Willam O´Swald und Co. in Hamburg mit Gritzner Nähmaschinen nach Niederländisch-Ostindien (Indonesien) zu sein. O´Swald macht auch mit Neidlinger Geschäfte, aber vorwiegend in Afrika. Zudem war "Ettikettenschwindel" eine seiner Verkaufsstrategien. Das passt sehr gut zu meiner Maschine. Die Maschine könnte mit den geflüchteten Niederländern und "Molukkern" nach 1945 zurück nach Europa gekommen sein. Spekulation, aber möglich. Erst hatte ich Zweifel, aber die Antiqua-Schrift wurde ab 1900 schon verwendet, so dass die Abziehbilder wohl nicht nachträglich darauf geklebt wurden. Nach dem ersten Weltkrieg wäre das ganze Spektakel auch nicht mehr verständlich gewesen.

Grüße
Harald
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