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Noch so ein Verrückter aus Dresden

Verfasst: Dienstag 7. Februar 2023, 18:44
von donnerbob
Moin zusammen,

ich bin ja eigentlich kein Kind großer Worte, habe ich mich doch schon immer mit Technik befasst. Doch nun ist es so weit, einer dieser Momente in denen es völlig eskaliert. Wie Muttis Katze, wenn sie ihre fünf Minuten hat.
Beim vor sich hintüfteln quatscht man eben nicht so viel. Aber man wird ja älter und weiser, sollte man meinen, und ab und zu bewegt man sich dann doch aus seiner mentalen Höhle heraus.

Manche sprachen "hab ich dir doch gesagt" und ich vernahm die Worte, renitent wie ich bin ignorierte ich die Alarmsirenen allerdings. boewu
Ich habe früher schon alles zerlegt was auch nur im entferntesten interessant war und aus mehr als zwei Teilen bestand. Das meißte funktionierte nach dem Zusammenbau auch wieder, an das wenigste kann ich mich noch erinnern.
Nun bin ich zum Glück Kind meiner Eltern und so durfte ich die Welt für mich entdecken. Die Feinmotorik litt nicht darunter. Im Gegenteil. Wurden anfangs noch, mehr oder weniger, grobschlechtige Löcher in Nachbars Apfelplantage gebuddelt, ging es am Hackklotz eifrig voran, wenn auch nur, schmerzhaftes Ereigniss vorausgehend, mit Helm. angel
Ich wurde älter, der Feuerholzhaufen größer und mit ihm wuchs auch die Technikliebe immer weiter. Mit 16 wurde die Welt plötzlich richtig groß. Papas alte Simme wurde restauriert und für die nächsten zwei Jahre im heimischen Keller auch häufig repariert. Nicht, dass sie nicht zuverlässig funktionierte, aber man konnte hier und da bestimmt noch was verbessern. Oder verschlimmern. Oder verschlimmbessern. Naja, auf alle Fälle fuhr sie, Sommer wie Winter. Mit 18 kam dann meine Emme, olivgrün und mit reichlich Öl überall gut konserviert habe ich auch diese über drei Monate restauriert. Leider durfte ich die ursprüngliche Ausstattung nicht in Gänze auf heutigen Straßen fahren. Der Seitenständer brauchte eine Zündunterbrechung und die Blinkerabschaltung musste zurückgerüstet werden. Tarnlicht durfte auch nicht ran. Verflixt und zugenäht. Früher war mehr Lametta. angry
Nach all dem Geplänkel schien ein Elektrotechnikstudium genau das richtige. War es nicht. Dann bestimmt Maschinenbau. Auch nicht. Nach insgesamt 5 Jahren Studium musste eine andere Lösung her.
Ich entschied mich als Zwischenlösung erstmal im Fahrradladen anzufangen um wieder ein paar Dinge zu ordnen. Zu der Zeit habe ich ca. 10.000 km pro Jahr im Sattel verbracht. Natürlich wurde an den Rädern selber geschraubt. Für eine Zeit lang war das ganz ok, habe ich doch für mein WG-Zimmer wenig Miete gezahlt und konnte mit dem Rad überall hin düsen. Als Dauerlösung war das allerdings nicht geeignet, wollte ich doch irgendwann was "anständiges" lernen.
So entschied ich mich eine Tischlerlehre anzufangen. Gar nicht so leicht einen Betrieb zu finden der einen ausbilden möchte. Schlussendlich hat es doch geklappt und nun bin ich sogar Meister, stolz wie Bolle, weil ich merke, dass ich so langsam angekommen bin.
Zuletzt eröffnete mir meine Schwester die Möglichkeit unsere Familiennähmaschine zu bekommen, war in Ihrem Etablissement doch der Platz für andere Dinge nötiger. Eine Naumann Klasse 14 von 1939. Mit Garantieschein, nur glaube ich nicht, dass dieser noch Gültigkeit hat. Praktisch denkend wie ich bin willigte ich ein. Kann man ja seine Ausrüstung reparieren, dachte ich mir. Und da war es geschehen.
Die Liebe für Technik und alles was sich bewegt und die natürlichen, wärmenden Eigenschaften von Holz. Herrlich. Und jetzt sitz ich hier und ergötze mich am Anblick meiner, über die Jahre angehäuften, Hobbies, wie sie harmonisch zusammenspielen. Ich könnte stolzer nicht sein. Und allen die sagen "du bist ja Verrückt" erwidere ich "Oh, vielen Dank". Jetzt bin ich hier und ignoriere gekonnt sämtliche Warnungen, habe ich doch noch zwei weitere 65er in Reserve angel . Und ich befürchte, das ist erst der Anfang.
Ich sehe nicht nur technisch, sondern auch im Rudelverhalten parallelen zwischen Fahrrädern und Nähmaschinen. Die korrekte Anzahl zu besitzender Fahrräder, und/oder Nähmaschinen lautet "n+1", wobei "n" die aktuelle Zahl der Besitztümer ist.
Naja, wie schon ein weiser Gelehrter einst sprach: Erfahrung lehrt langsam Robin und auf Kosten vieler Fehler. tongue


Das ist die Geschichte von Philipp, alias Pille, aka donnerbob. Bis Jetzt. biggrin

Re: Noch so ein Verrückter aus Dresden

Verfasst: Dienstag 7. Februar 2023, 19:11
von gelöschter User N
Na, Meister,
bei extrem gut getrocknetem Holz kann man es ja machen mit dem massiv Tisch - sieht aus wie Esche -
aber warum die Metallklammern wo es doch den Nutklotz gibt?
IMG_20230205_142900_-Meisters Nutklotz.jpg

Re: Noch so ein Verrückter aus Dresden

Verfasst: Dienstag 7. Februar 2023, 19:27
von donnerbob
Nopi hat geschrieben: Dienstag 7. Februar 2023, 19:11 Na, Meister,
bei extrem gut getrocknetem Holz kann man es ja machen mit dem massiv Tisch - sieht aus wie Esche -
aber warum die Metallklammern wo es doch den Nutklotz gibt?

IMG_20230205_142900_-Meisters Nutklotz.jpg
Esche ist richtig und die Metallklammern sind Verstellwinkel um das Arbeiten zu ermöglichen, da kann das Holz noch so gut getrocknent sein, anders als der Lehrling arbeitet Holz immer wink . Die Wahl auf Metallbeschläge ist rein praktischer Natur. Ich war dann doch zu faul noch extra Nuten in die Zarge zu stechen. Wenn es kein Nähmaschinentisch geworden wäre, hätte ich es bestimmt auch anders gemacht. angel

Re: Noch so ein Verrückter aus Dresden

Verfasst: Dienstag 7. Februar 2023, 19:38
von gelöschter User N
donnerbob hat geschrieben: Dienstag 7. Februar 2023, 19:27 und die Metallklammern sind Verstellwinkel um das Arbeiten zu ermöglichen,
Mit Langloch und mit Querloch erhältlich - je nach Einbau Situation. (Haefele ist gecybert worden :lol27: )
Ich hatte schon vermutet Du hast nur Winkel mit Langloch gehabt und deshalb keine Winkel in der Querzarge gesetzt ...

oder Königsweg: 3 Schicht Platte selber machen, wenn man eine Furnierpresse hat.

Re: Noch so ein Verrückter aus Dresden

Verfasst: Dienstag 7. Februar 2023, 19:42
von 3607
....wolltest du eigentlich kein "richtiges Naumann-65 Gußgestell" oder besteht daran Mangel?

Grüße, Jürgen

Re: Noch so ein Verrückter aus Dresden

Verfasst: Dienstag 7. Februar 2023, 19:43
von js_hsm
Mir gefällt es jedenfalls wink

Gruß, Achim

Re: Noch so ein Verrückter aus Dresden

Verfasst: Dienstag 7. Februar 2023, 19:59
von donnerbob
3607 hat geschrieben: Dienstag 7. Februar 2023, 19:42 ....wolltest du eigentlich kein "richtiges Naumann-65 Gußgestell" oder besteht daran Mangel?

Grüße, Jürgen
Die Maschine war nackt und brauchte ein Kleid. Gußgestelle sagen mir tatsächlich nicht zu, zumindest in diesem Fall. mx

Re: Noch so ein Verrückter aus Dresden

Verfasst: Dienstag 7. Februar 2023, 20:38
von 3607
donnerbob hat geschrieben: Dienstag 7. Februar 2023, 19:59
3607 hat geschrieben: Dienstag 7. Februar 2023, 19:42 ....wolltest du eigentlich kein "richtiges Naumann-65 Gußgestell" oder besteht daran Mangel?

Grüße, Jürgen
Die Maschine war nackt und brauchte ein Kleid. Gußgestelle sagen mir tatsächlich nicht zu, zumindest in diesem Fall. mx
...und dann ist der "Meister auf Holz" ja an der richtigen Stelle lol

Grüße vom Schmiedemeister mx

Re: Noch so ein Verrückter aus Dresden

Verfasst: Dienstag 7. Februar 2023, 21:21
von det
Hallo Pille und willkommen hier.

Bei meiner Emme habe ich vor der TÜV-HU den Seitenständer ab- und danach wieder dranmontiert. Bin auch nur einmal mit ausgeklapptem Ständer losgefahren und in der ersten Linkskurve abgehoben.

Nähmaschinen und Fahrräder gehörten immer schon zusammen. Mein erstes Rennrad habe ich in so einem Kombiladen gekauft.

Viel Spaß im Forum wünscht
Detlef

Re: Noch so ein Verrückter aus Dresden

Verfasst: Donnerstag 9. Februar 2023, 11:59
von AnniB
Herzlich Willkommen Pille,

mir gefällt das sehr, was du zeigst smile und schreibst.

Und wenn ich jemals eine solche Naumann erspähe, werde ich ... s e h r schwach heart .

Liebe Grüße

Anni