Grüße aus Österreich
Verfasst: Freitag 6. Oktober 2023, 16:19
Also, ich bin gezwungenermaßen zur Nähmaschinentechnik gekommen. Es gab und gibt immer wieder mal was "gröberes" zu nähen und so "verjagte" mich eines Tages meine Frau von ihrer Singer Nähmaschine. Es ist eine ältere Singer 720, aber in tadellosen Zustand. Ich konnte sie ja verstehen, wenn sie nicht damit einverstanden war, dicken Filz, dünneres Leder und dergleichen mit der Singer zu nähen. Also musste ich mir was einfallen lassen. Ich suchte in den üblichen Versteigerungsplattformen nach einer Nähmaschine. Wichtig war mir, dass die Nähmaschine auch dickere Stoffe, bedingt Leder, usw. problemlos nähen kann. So kam mir eine Juki DLN 415-4 für 50 Euro über die "Willhaben" Plattform unter die Finger. Die Maschine musste noch am selben Tag geholt werden, sonst wäre sie beim Schrott gelandet. Ich fuhr nach Hallein, wo die Maschine stand und Verkäufer sagte mir gleich, dass die Maschine nicht richtig funktioniert und der Efka Motor Variostop sehr laut sei. Nach kurzer Inspektion dachte ich nicht lange nach, bezahlte den 50er und fuhr mit der Maschine am Autoanhänger nach Hause.
Mir wurde erst zu Hause bewusst, was ich da getan habe. Ich hatte 0 - Ahnung von Nähmaschinentechnik. Das war vor 2 Monaten. Ich könnte theoretisch jeden Teil der Maschine nachbauen, aber wie man so eine Maschine einstellt und auf was es für eine einwandfreie Funktion ankommt - absolute Fehlanzeige.
Also kontaktierte ich einen Nähmaschinentechniker. Der machte mir ein Angebot für 900 Euro, ohne Motorreparatur. Das war mir zu viel und ich kontaktierte den nächsten Techniker. Seine Aussage war wieder ähnlich und noch dazu wollten sich beide Techniker beim Einstellen der Maschine nicht über die Schulter schauen lassen.
Das waren 2 ältere Herrn, die bewusst ihr Wissen nicht weitergeben wollten. Anstatt ihr Wissen an Jüngere bzw. Junge weiterzugeben, nehmen sie ihr Wissen mit ins Grab. Mir scheint, diese Nähmaschinenmechaniker sind eine aussterbende Spezies. Darum gibt es bei uns nur mehr ganz wenige, die sich wirklich gut auskennen und das bei sämtlichen Marken. Ich meine da richtige Allrounder.
Dann hab ich das Ruder selbst in die Hand genommen, wozu gibt es Internet. Ich habe mir neben der Bedienungs- und Wartungsanleitung für meine Maschine auch noch ähnliche Anleitungen, sogar für Pfaff und Singer heruntergeladen und diese studiert. Es ging mir vor allem um das Grundwissen der Nähmaschinenmechanik und deren Einstellungen. Natürlich habe ich auch hier als Gast über die Juki gelesen. Dann kamen noch sicher 50 bis 100 Youtube Videos über die Juki Maschinen dazu und so konnte ich die Instandsetzung der Maschine beginnen. Für Juki gibt es im Netz sehr viele Videos. Sehr gute und auch weniger/gar nicht gute. Da stellen Leute, vorwiegend im asiatischen Raum Maschinen ein, die total versaut und mit Wollstaub vermischt mit Öl verdreckt sind. Die sollten zuerst mal die Maschine sauber reinigen und dann mit einer Neujustierung anfangen. Das ist aber eine andere Sache.
Die Maschine selbst war/ist von der Mechanik her in besten Zustand. Von maschinenbaulicher Seite und der Auswahl der Materialien her ist sie von höchster Güte gefertigt worden. Nur die Komponenten ums Nähen selbst, hatten ihre Mängel/Abnutzung. Wenn man sich vorstellt, war der Greifer ca. 1 mm abgewetzt. Ich habe ihn mit dem neuen Greifer auf dem Werkzeugvoreinstellgerät vermessen und verglichen. Die Nadelstange hatte eine 2 mm Bohrung, was bei dieser Maschine gar nicht sein kann, denn diese hat Nadelgröße DBx1 (1,63 mm). Ich glaub, die Nadelstange wurde mit der Handbohrmaschine aufgebohrt, weil der Durchmesser eher 2,1 mm hatte. Traurig aber wahr.
Also kaufte ich die Teile, wie eine neue Nadelstange, Greifer, Transporteur mit Stichplatte, 2 Spulenkapseln, Messer mit Gegenmesser, Halter für die Spulenkapsel, Fadenführung, Nadeln, neue Dichtung für die Ölwanne, Nähmaschinenöl, neue Lager für den Motor und Kupplungen, Räder für die Füße des Nähtisches und natürlich Serafil Nähgarn. Ich war überrascht, dass die Teile so billig waren. Alles in allem habe ich für die Teile ca. 150 Euro ausgegeben und alle passen, ich habe nachgemessen. Nur ein bewegliches Messer passte nicht - ich habe ein falsches bestellt.
Mir scheint, im asiatischen Raum laufen sehr viele Maschinen dieser Marke. Das lässt auch die Vermutung zu, dass viele Videos bezüglich "Maschine einstellen" aus dieser Gegend kommen.
Mit viel Mühe, Ausdauer, viel studieren dieser Materie, läuft jetzt die Nähmaschine wie eine "Nähmaschine" - einfach ein Traum. Als Pensionist habe ich ja jetzt mehr Zeit. Ich bin begeistert und auch meine Frau.
Das einzige, wo ich noch nicht ganz klar bin, ist beim Fadenabschneider. Er funktioniert natürlich, aber da hab ich wo eine kleine Unklarheit. Das schreibe ich später in die entsprechende Rubrik.
Das reicht fürs Erste, sonst wird es zu langatmig.
Grüße Anton
Ps: Was ich nicht verstehe - in der Vorschau wird das Bild richtig angezeigt und wenn man draufklickt und das Bild groß betrachtet, ist es verdreht?