Unbekannte Dürkopp

Alte und selten gewordene Maschinen, oft als Dekoobjekte zu finden.
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HAD
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Unbekannte Dürkopp

#1 Beitrag von HAD »

Oh je,

ich bin nochmal schwach geworden und habe für 1€ zugeschlagen. Eine zugegeben äusserlich dürftig erhaltene sehr alte Dürkopp ist bei mir unter erheblichem häuslichen Protest eingezogen. Das Ding habe ich noch nie auf Fotos gesehen, nur ähnliche Schwingschiffmaschinen von Dürkopp. Sie hat die Seriennummer 210 DC 001 und eine kleine 6. Ich gehe mal davon aus, dass die ineinander stehenden DC für Dürkopp und Co. stehen und die kleine 6 eine Kontrollstemplung der Fertigung ist. Passteile der Mechanik sind mit 75255 gestempelt, wobei davon ausgehe, dass auch diese Ziffern nicht die Serienummern sondern von einer Fertigungssteuerung stammen. Die Seriennummer 210001 würde ich nach den bei Peter Wilhelm angedeuteten Produktionszahlen im Jahr 1884 +/-2 Jahre vermuten.

Wobei nach dem ersten weltkrieg wieder kleinere Seriennummern auftauchen -neue Zählung nach der AG-Gründung 1913?

Die Maschine wurde von einem Banausen mal schwarz übermalt, so dass das Dekor praktisch weg ist.. Sie hat relativ wenig Rostansatz und liess sich nach WD40 Behandlung und neuem Öl wieder nähfertig machen. Das drinliegende Bootsschiffchen , baugleich mit Pfaff und Haid und Neu, passt nicht richtig, aber das Zylinderschiffchen der Singer 48K passt. Damit kommt eine schöne Naht zustande. Kann auch sein, dass die vorderen Backen des Käfigs zu weit auseinanderstehen und das spitzere Bootsschiffchen dadurch zu weit nach vorn rutscht. So groß sind die Maßunterschiede nicht. Es hatte jedenfalls zu viel Spiel für eine Schlingenbildung. Ich habe aber auch gehört, dass Dürkopp größere Schiffchen verwendete.

Die Fotos sind noch im Anlieferungszustand - mit falsch herum angeschraubtem Nadelhalter.

Weiss jemand welcher Typ das ist?

Grüße Harald
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Singer 12, 48K, 28K, 66K, 15D, 677G; Pfaff B, 30, 230, 84, 208; Bisolt und Locke Wettina Media; Gritzner R; Dürrkopp B; Haid und Neu Gloriosa B; Quelle/Haid und Neu Mercedes de Lux; Mundlos Victoria; Podolsk 142; Neckermann/Kochs 819/00; Babylock EA-605.

Hosenkürzer
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Re: Unbekannte Dürkopp

#2 Beitrag von Hosenkürzer »

Hallo Harald,

es gehört zwar vielleicht nicht genau hierher, aber da Du ja historisch sehr interessiert bist, ist das:

http://anno.onb.ac.at/info/onf_info.htm

vielleicht für Dich nützlich.

lG Helmut

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Klaus aus A
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Re: Unbekannte Dürkopp

#3 Beitrag von Klaus aus A »

@Helmut,

danke für den Link!!!
Sehr Interessant.


Haralds Dürkopp und die Geschichte auch!

Grüße
Klaus
Pfaff 260, 130-6, 30, 31, 11, K, A(B), ADLER 67-73, Dürkopp 207-5, Singer 15-1 (IF), 15-30, 15-D88, 18-2, 66, 206, Mundlos 77, Phönix "F", Anker MMZ

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det
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Re: Unbekannte Dürkopp

#4 Beitrag von det »

Ja,
auch von mir ein dickes Danke für den Link!
Hochinteressant, habe mich prompt festgelesen rolleyes

Leider bin ich bei den Langschiffern sehr unerfahren, da ich erst eine einzige Maschine dieser Art in der Hand hatte, und muss mich ansonsten hier bedeckt halten, finde die Technik - speziell den Fadenheber - aber sehr interessant.

Gruß
Detlef
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Re: Unbekannte Dürkopp

#5 Beitrag von dieter kohl »

serv

im Automobilbau gibt es den begriff : ungefederte massen ...

bei Nähmaschinen hat man die fadenanzugsfeder deshalb vom fadenhebel getrennt
gruß dieter
der mechaniker

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Re: Unbekannte Dürkopp

#6 Beitrag von Ralf C. Kohlrausch »

Hosenkürzer hat geschrieben:Hallo Harald,

es gehört zwar vielleicht nicht genau hierher, aber da Du ja historisch sehr interessiert bist, ist das:

http://anno.onb.ac.at/info/onf_info.htm

vielleicht für Dich nützlich.

lG Helmut

Ohhh, danke, so etwas habe ich schon lange gesucht.

Gruß
Ralf C.

HAD
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Re: Unbekannte Dürkopp

#7 Beitrag von HAD »

biggrin

- wobei dieser Oldie noch keine Fadenanzugsfeder hat, wie auch meine Pfaff B und meine Haid und Neu Gloriosa B.

Die Führung des Kurvenfadenhebels bei der Pfaff und bei der Haid und Neu durch die Nadelstange hat auch nichts mit "Massenberührung" zu tun, die Bewegung kommt ausschließlich von der Walze auf der Armwelle. Die Nadelstange wird nur von einer darauf befestigten "Herzkurve" von einem Exzenter vorn auf der Armwelle bewegt. Die wenigen Teile sind sehr leichtgängig und benötigen kaum Massenausgleich, nur das Schiffchen samt Käfig und Gestänge müssen ständig ihre Bewegungsrichtung ändern und benötigen eine exzentrische Schwungmasse an der Königswelle, damit alles rund läuft.

Wobei das Fehlen der Feder bei den geringen Nähgeschwindigkeiten dieser alten Langschiffchenmaschinen offensichtlich keinen Einfluss auf die Nahtqualität hat. Die Naht sieht gestochen grade gesteppt aus. Wichtig ist, dass die Fadenspannung stimmt, die Maschinen reagieren sehr empfindlich auf unterschiedliche Garndicke, auch die Feder am Schiffchen muss man oft einen Tick nachstellen, wozu man einen feinen Schraubendreher braucht.

Ich gebe zu dass ich mich in die archaische Technik etwas "verliebt" habe, sie ähnelt so sehr dem Nähen von Hand bzw. dem Weben. Es ist ja schon meine vierte Langschiffchenmaschine. Vor allem man kann das Nähen sehen, wenn man die Schieber ein wenig öffnet. Mit dem Timing gibts auch keine Probleme, wenn die Nadel richtig sitzt. Da kann man sogar etwas "spielen" und beobachten.

Zum "richtigen Nähen" habe ich ja noch genug andere Komfortgeräte wink Die Staubschutzhauben aus Putzvliestüchern nähe ich aber aus Prinzip immer auf der jeweiligen Maschine, auch wenn es nur mit dem Handraddrehen geht.

Gute Nacht

Harald
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Re: Unbekannte Dürkopp

#8 Beitrag von HAD »

Hallo, da bin ich mal wieder,

es gibt ja noch andere DInge als Nähmaschinen.

Über ein festgestelltes Timingproblem bei dieser Dürkopp-Maschine habe ich kurz bei Helmuts Moritz Jakobi berichtet, ohne passendes Schiffchen wird es nicht endgültig zu lösen sein.

Irgendwie kommt mir der Verdacht, dass es die bei Peter Wilhelm genannte und abgebildete "Dürkopp Medium mit Riesenschiffchen" sein könnte. Wie groß war dieses Riesenschiffchen denn? Jedenfals ca. 5mm länger als die Bootschiffchen bei den Typen nach "Singer B" von Pfaff und Haid und Neu.

Auf einen weitern historischen Aspekt bin ich bei meinen immer auch die Zeitgeschichte umfassenden Recherchen gestoßen. Woher kam eigentlich der Stahl, der in diesen Maschinen im 2ten Drittel des 19. Jahrhunderts verbaut wurde? Zu gleichen Zeit verbreiteten sich Dampfmaschinen, Eisenbahn, Stahlbauten, Maschinen die alle hohen Stahlanteil hatten. Vorher war Stahl nur begrenzt im Einsatz, vor allem für Schwerter, Messer, Pflüge, Radreifen, Werkzeuge usw.

Vor dem 19. Jahrhundert wurde Schweisseisen genannter Stahl nur in sehr kleinen Chargen in sogenannten Rennfeuern erzeugt. https://de.wikipedia.org/wiki/Rennofen. Der größte Teil an Erz wurde direkt als sprödes Gusseisen verarbeitet. Ab Mitte des 18 jahrhunderts wurde von England ausgehend Roheisen in Tiegelöfen zu Stahl verarbeitet. https://de.wikipedia.org/wiki/Tiegelofen
Das Elektrostahlwerk, in dem ich gelernt hatte, die Edelstahlwerke Erkenzweig und Schwemann in Hagen/Westf. wurden als Tiegelstahlwerk um 1780 gegründet, heute längst spurlos verschwunden. Etwas später wurde das Puddelverfahren entwickelt, mit dem erstmals Stahl in größeren Mengen, aber körperlich sehr mühsam hergestellt wurde. https://de.wikipedia.org/wiki/Puddelverfahren. Immerhin konnte man schon daraus gewalzte Produkte wie Stangen, Bleche und Rohre fertigen. Das waren die Halbzeuge, aus denen die Stahlteile unserer ältesten Nähmaschinen bis etwa 1890 entstanden. Puddelstahl ist durch den hohen Phosphorgehalt nicht schweissbar, aber etwas korrosionsbeständiger als heutige Stähle. Man kann bei polierten Teilen wie der Nadelstange die >4% Schlackenanteil durch die "grau" wirkenden Poren mit blossem Auge erkennen. Nach 1890 setzt sich schnell das Bessemer- oder Thomasverfahren zur Massenstahlerzeugung durch. https://de.wikipedia.org/wiki/Bessemerbirne Ergänzt wurde es wenig später durch die Siemens Martin-Öfen, die eine noch höhere Qualität ermöglichten. https://de.wikipedia.org/wiki/Siemens-Martin-Ofen. Heute gibt es praktisch nur noch das Sauerstoffaufblasverfahren und Lichtbogenelektroöfen.

Grüße

Harald
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dieter kohl
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Re: Unbekannte Dürkopp

#9 Beitrag von dieter kohl »

dieter kohl hat geschrieben:serv

im Automobilbau gibt es den begriff : ungefederte massen ...

bei Nähmaschinen hat man die fadenanzugsfeder deshalb vom fadenhebel getrennt
serv

ich bin da mißverstanden worden

bei den alten Maschinen waren die fadenhebel als solche gefedert
bei meiner mundlos-schwingschiff-Maschine ist die fadenanzugsfeder im "Auge" des fadenhebels eingebaut
gruß dieter
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Re: Unbekannte Dürkopp

#10 Beitrag von HAD »

Hallo,

da bin ich mal wieder mit dieser Baustelle "unbekannte Dürkopp". Wie sie wirklich heißt, habe ich nicht herausgefunden, wahrscheinlich wird es im Dunkeln bleiben.

Ein Problem habe ich aber lösen können. Ich habe ja kein Passendes Schiffchen gefunden, die Pfaff- und Haid und Neu-Langschiffchen waren zu klein, das Zylinderschiffchen der Singer 48K passt zwar leidlich, aber das Stichbild wurde nicht wirklich schön, weil das Timing nicht mehr stimmte. Die Nadelverschiebung nach oben brachte nur mäßige Abhilfe. Das Timing an der Exenterscheibe oder den Kegelzahnrädern zu verändern, halte ich bei Schiffchenmaschinen für nicht ganz unproblematisch, da der Exenter für die Transporteurbetätigungsstange an der Schwungscheibe fest angebracht ist. Ein Veränderung an der Stellung verändert also auch den Transport, der dann nicht mehr synchron zur Nadelbewegung läuft. Im Prinzip kann man bei diesen alten Maschinen nur den Punkt finden, an dem alles optimal ist. Das heißt, auch Bauteile wie das Schiffchen müssen abgestimmt sein. Einzelne Werte in der Kinematik kann man kaum nachjustieren.

Nun habe ich eine wirkliche "Schrottmaschine" - Haid und Neu Typ B - total verdreckt und mit fast vollständig abgeblättertem Lack gefunden. Ein Baugleiche intakte besitze ich ja schon. Der Schrotthaufen ist bei Helmuts "Moritz Jakobi" im Lieferzustand abgebildet viewtopic.php?f=36&t=1456&start=40. Ziel war von vorneherein das Ausschlachten, auch als Experimentierfeld. Obwohl die Maschine, so wie sie aussah, irgendwo in einer Scheune die letzten 50 Jahre verbracht hat, liessen sich die Schrauben alle lösen. Dreck scheint auch ein Korrosionsschutz zu sein. Der Handkurbelmechanismus passte an meine Pfaff Typ B, die damit einen adequaten Antrieb bekommen hat. Der klappbare Ausleger der Antriebskurbel erfasst zwar nur so gerade die Speichen des Handrads und lässt sich nicht mehr einklappen, aber es funktioniert und mit Tretantrieb wird die Maschine nie mehr betrieben.. Ein Bootsschiffchen samt Spule lag auch noch in dem Dreckhaufen. Es ist zwar 2 mm länger als die bei mir vorhandenen, aber noch nicht groß genug für die Dürrkopp. Der vordere Schieber über der Transporteurgleitbahn konnte den ebenfalls uralten Ersatzblechstreifen an meiner Haid und Neu Typ B durch ein Originalteil ersetzen. Alle was sich abbauen lässt ist entfernt und kommt in den Ersatzteilvorrat. Die Schrottmaschine stammt mit einer Serienummer 529639 ebenfalls von 1902, hat aber kleine Unterchiede, wie eine Langlochöffnung zum Ölen der Nadelstangenexenterscheibe statt einer Bohrung. Sogar eine Entlastung für die Spannungsscheiben bei angehobenem Nähfuss war vorhanden. Meine intakte Maschine mit der Serienummer 554257 hat die nicht, offensichtlich wurde noch sehr handwerklich Stück für Stück gefertigt. Es liegen ja geschätzt 9 Monate zwischen den Fertigstellungdaten.

Die Problemlösung für die Dürrkopp war auch dabei. Sie ist zwar historisch nicht korrekt, aber an der Dürkopp ist ja nichts irreversibel verändert worden. Ich habe an der Schrottmaschine ja auch den Schiffchenkäfig ausgebaut. Ein Vergleich mit dem Dürkopp-Käfig zeigte, dass die Grundabmessungen an der Spitzenaufnahme und in der Höhe ab den Befestigungsbohrungen für den Gleitstein stimmt. Leider passt der Haid und Neu-Gleitstein nicht in die Dürrkopp-Führung. Aber die linke der beiden Bohrungen war bei dem Haid und Neu-Teil 2 mm zu weit nach links. Mit einer Rundfeile wurde diese Bohrung zum Langloch nach rechts erweitert. Einbauen, Schiffchen hineingelegt, eingefädelt und siehe da: einwandfreies supergerades Stichbild ohne Aussetzer. Durch eine kleine Madenschraube unter der unteren Federblechauflage des Schiffchens im Käfig lässt sich sogar die Spitzenhöhe des Schiffchens noch feinjustieren. Das unveränderte Originalteil kommt ins "Archiv".

Jetzt fehlt nur noch die Lackreparatur. Bilder folgen in Kürze.

Gruß
Harald
Singer 12, 48K, 28K, 66K, 15D, 677G; Pfaff B, 30, 230, 84, 208; Bisolt und Locke Wettina Media; Gritzner R; Dürrkopp B; Haid und Neu Gloriosa B; Quelle/Haid und Neu Mercedes de Lux; Mundlos Victoria; Podolsk 142; Neckermann/Kochs 819/00; Babylock EA-605.

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