Servomotor mit Fadenabschneider-Funktion?

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sputnik
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Re: Servomotor mit Fadenabschneider-Funktion?

#11 Beitrag von sputnik »

Ein kurzer Einwurf um noch mehr Verwirrung zu stiften: biggrin

Nähmaschinen gibt es schon lange, Fadenabschneider kamen später dazu.
Es gibt viele unterschiedliche Nähmaschinen und viele unterschiedliche Fadenabschneider. Bei Pfaff gibtes z.B. Modelle die mit Fadenabschneider X oder Y ausgestattet sein können.
Von der Maschine und dem montierten Fadenabschneider und eventueller weiterer Ausstattung hängt es ab wie die Ansteuerung aussehen muss.

Wie bereits richtig angemerkt wurde gibt es einige wenige Maschinen die sich durch eine falsche Ansteuerung zerstören können. Das ist z.B. bei einigen schweren Maschinen der Fall wo ein Rollenhebel für die mechanische Bewegung in eine Zwangskurve eingefädelt wird. Wenn da die Drehzahl zu hoch oder der Zeitpunkt der Auslösung falsch ist, kann es passieren dass die Maschine blockiert und dadurch das Gussgehäuse/Grundplatte bricht.

Es gibt auch Fadenabschneider bei spezielleren Maschinen welche nicht in die Kategorie Flachbett-Steppstich-Schnellnäher fallen. Diese lasse ich jetzt bewusst weg um zu viel Verwirrung zu vermeiden.


Bei einem "normalen" Flachbett Schnellnäher muss die Maschine vor dem Auslösen des Abschneidevorgangs auf eine bestimmte Geschwindigkeit gebracht werden (z.B. 220rpm +/-10rpm).
Dann wird bei einem bestimmten Drehwinkel Magnet/Ventil zur mechanischen Auslösung aktiviert. Damit wird z.B. ein Rollenhebel auf einen Excenter gedrückt oder in eine Kurve eingefädelt und damit die mechanische Bewegung betätigt.
Zusätzlich kann je nach Modell der Maschine und des Fadenabschneiders eine elektrische Spannungslüftung, Fadenwischer, Fadenklemmen und ähnliches erforderlich sein.

Nach dem hoffentlich erfolgreichen Aschneidevorgang muss die Maschine bei einem bestimmten Drehwinkel stehenbleiben. Bei manchen Maschinen muss sie dann noch ein wenig retourgedreht werden. Dann kann der Abschneidevorgang beendet und der Nähfuss gelüftet werden.

Alle diese Einstellungen sind relativ heikel und wichtig! Die Drehzahlen und Positionen müssen möglichst genau eingehalten werden!
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Wenn z.B. die Spannungslüftung nicht zum richtigen Zeitpunkt ausgelöst wird kann der abgeschnittene Faden zu lang oder zu kurz sein. Ein zu lange Faden z.B. kann sich im Greifer verfangen und die Maschine blockieren, ein zu kurzer Faden kann dazu führen das am Anfang der nächsten Naht Stiche fehlen.
Wenn die mechanische Bewegung nicht stimmt kann es sein das die Messer die Nadel erwischen und damit z.B. die Maschine blockiert oder die Messer brechen.
Wenn der Faden nicht richtig geschnitten wird, reisst er an einer Kante oder bei der Verknotung des letzten Stiches ab, was ebenfalls zu falscher Fadenlänge und den damit verbundenen Problemen führt.
Wenn der Fadenabschneider die falsche Seite der Oberfadenschlinge erwischt stimmt ebenfalls die Länge niicht.
Wenn der letzte Stich ausgelassen wird kann auch der Fadenabschneider den Faden nicht erwischen.
Schwergängigkeit, Schmutz, stumpfe Messer, Wackelkontakte, statische Aufladung sind ebenfalls häufige Fehlerquellen.
(das Kabel zum Gummischarnier brauchen wir doch nicht) angry

In den 1070er Jahren war die Hochzeit der Fadenabschneiderentwicklung und es gab noch keine Digitaltechnik. Deshalb hat z.B. EFKA damals für die gängigsten Maschinen ~100 unterschiedliche Steuerkästen gebaut, die dann trotzdem oft noch für speziellere Anforderungen modifiziert werden mussten. Mit Digitaltechnik und Servomotoren wurde einiges einfacher aber die Grundanforderungen an Geschwindigkeit und Genauigkeit sind natürlich gleich geblieben, auch wenn sie sich durch neue Technik einfacher einhalten lassen.



Es sind bei Nähmaschinen besonders die dynamischen Kräfte die zur Zerstörung der Maschine führen können.

Ich habe in meiner Anfangszeit als Nähmschinenmechaniker oft bei Firmen gefragt was mit dem Maschinenköpfen die dort in der Ecke liegen los ist ... und mir wurde geantwortet das da die Gussteile gebrochen sind und sie nur mehr als Ersatzteilspender dienen. Meistens waren zu viele Blattfedern für den Presserfuss (führen mittelfristig zu Rissbildung an den schwächsten Stellen im Guss) oder Blockaden (z.B. durch Faden im Greifer oder Fadenabschneider) die Ursachen dafür.

Deshalb hat Adler dann auch damit begonnen bei immer mehr Modellen Sicherheitskupplungen, die vorher nur als Sonderausstattung erhältlich waren, standardmässig einzubauen.

Ich kann nur von Maschinen/Kunden berichten mit denen ich zu tun hatte. Bei anderen Maschinen/Marken/Klassen/Motoren war es aber SEHR ähnlich.

Ich hoffe damit ein wenig zum Verständnis beigetragen zu haben.

Herzliche Grüsse vom Sputnik
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sputnik
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Re: Servomotor mit Fadenabschneider-Funktion?

#12 Beitrag von sputnik »

Und was ich der Bastelfraktion hier auch noch mitteilen möchte:

beim schnellen Ali gibt es einen Händler (CY Sewing-machine Accessories Factory Store - 912415281) der gebrauchte/alte/neue Motorsteuerungen zu teilweise (weil 10 Jahre alt) sehr günstigen Preisen anbietet. Der F-1 Steuerkasten ist z.B. früher von Juki verwendet worden. So könnte man möglicherweise, mit dem gewonnen Wissen die eine oder andere Steuerung auch für andere Maschinen adaptieren. -> https://www.juki.co.jp/industrial_j/dow ... ect_eg.pdf

Grüsse vom Sputnik
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Re: Servomotor mit Fadenabschneider-Funktion?

#13 Beitrag von 3607 »

Hallo Sputnik!

Vielen Dank für deine ausführliche Schilderung.
Dass es im Industriebereich wegen so einem Fadenschneider so eine "Vielfalt" gab, ist ja beachtlich.

Bei der Maschine, die ich jetzt "vereinfacht" habe ( https://www.naehmaschinentechnik-forum. ... hp?t=15011 )

ist so ein Abschneider drin:
008.jpg
Für den Antrieb ist auf der Greiferwelle eine Scheibe, die an einer Stelle zum Greifer zu ein Nocken drauf aber eben in der Achsrichtung. Zu der Scheibe wird von einem Elektromagnet ein Abtaster eingerückt, bewegt diesen Bogen mit einer Drehbewegung unters Nadelloch, greift die 2 Fäden und zieht die über die Gegenschneide.
Gleichzeitig wird der Oberfaden während der Fadenhebel hoch geht geklemmt damit dieser "frischen" Faden nachzieht. Bei dem Elektromagnet weiß ich die Spannung nicht. Wenn ich per Hand einrücke und per am Handrad die Nadel hoch drehe, funktioniert das so recht und schlecht. Beim weiter nähen gibt es aber dann Fadensalat. Ich denke, dass der Unterfaden (klappt nicht immer) und beim Oberfaden weiß ich nicht.

Wo ich mir sehr unsicher bin ist die Frage, ob dieser ganze Vorgang auch auf z.B. die Fadenstärke oder unterschiedliche Fadenqualitäten eingestellt werden muss.

Zur Drehzahl: Für das Abschneiden sind bei mir 150 Umd. angegeben. Mein Servo fährt mit 200 raus, hat aber ein Vorgelege, so dass ich auf ca. 80-90 Umd. komme.
Das lässt sich vielleicht umprogrammieren - hab aber noch nicht hin bekommen.

Fazit für mich vorerst:

Fadenabschneider sieht kompliziert aus und wenn er mir auch nur gelegentlich Fadensalat macht, macht das mehr Mühe als die Fäden mit der Schere abzuschneiden.

Grüße, Jürgen
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sputnik
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Re: Servomotor mit Fadenabschneider-Funktion?

#14 Beitrag von sputnik »

Servus Jürgen,

Fadenabschneider sollten eigentlich nicht Materialbahängig sein. In Deinem Fall kann es aber schon sein, wenn Du das viel zu langsam probierst der Schwung in der Bewegung fehlt und dadurch die Messerschneiden nicht weit genug übereinander kommen. Die Amplitude einer oszillierenden Bewegung verändern sich ja mit der Geschwindigkeit, was man z.B. bei Overlockgreifern sehr schön beobachten kann.

Ein Problem ist aber natürlich die Abnutzung der Messer und wenn die einmal eine Nadel erwischt haben wars das auch. Dann ist kein zuverlässiges Abschneiden mehr möglich. Manche Messer kann man einige Male nachschleifen, andere gar nicht. Dann ist die ganze Einstellung einigermassen heikel und alles muss genau stimmen. Zustand der Messer, Abschneidezeitpunkt, Spannungslüftungszeitpunkt, manchmal auch der Fadenwischer und die Stopposition.

Der Aufwand war notwendig weil immer mehr Fäden mit synthetischen Fasern verwendet wurden. Baumwollfäden lassen sich problemlos mit einem Ruck abreissen und reissen immer beim Knoten = letzter Stich ab (wie auch jedes Seil). Bei Synthetik/Mischfasern klappt das nicht mehr zuverlässig und bei vielen Arbeitsschritten in der industriellen Produktion wäre dann der Griff nach einer Schere ein zu grosser Kostenfaktor.

Ich habe das heute geschrieben weil ich weiss das hier einige mitlesen, die über Selbstbaulösungen nachdenken und ich Euch das deshalb nicht vorenthalten wollte.

Herzliche Grüsse vom Sputnik
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