Klaus_Carina hat geschrieben:Nähmaschinen sind und waren ein Gebrauchsgegenstand, der nur mit dem Gebrauch zum Wert wurde, für den man einen entsprechend hohen Geldwert hinlegen musste - und heute wieder muss - oder auch nicht. Heute wie damals war die Nähmaschine ein Massenprodukt.
Früher haben sie die Familien meistens mit der Familiengründung eine Nähmaschine fürs ganze Leben gekauft und die Hersteller haben die entsprechende Qualität geliefert. Die Maschinen waren auch ohne viel Schnickschnack relativ leicht zu warten. Heute werden auch Nähmaschinen verkauft, die Sollbruchstellen enthalten, und die bei durchschnittlichen Gebrauch kurz nach Ablauf der Garantiezeit defekt gehen (je nach Gebrauch früher oder später). Für das Auspacken einer solchen Maschine braucht man u.U. etwa 1 Stunde, wenn man die Maschine bereits begriffen hat und ein Service-Handbuch besitzt. Wenn man kein Service-Handbuch besitzt, gibt es kaum eine Chance auf eine erfolgreiche Reparatur. Zur Reparatur geeignet muss eine neue Maschine heutzutage auch gar nicht sein. Der Neukauf ist billiger als eine Repartur und der Nähmaschinentechniker muss seinen Stundensatz ordentlich kalkulieren, sonst kann er nicht überleben. Ich habe bereits eine Singer Maschine "Made in Sicily" (im Maffia-Land) versucht zu reparieren, die unreparierbar defekt war. Ein einziges Schräubchen hat dafür gesorgt, dass alle Bemühungen vergeblich waren. Auch ein Fachbetrieb hätte die Nähmaschine nicht wieder in Schwung gebracht.
Wir leben heute in einer Wegwerfgesellschaft. Wo das einmal hinführen wird, weiß ich nicht. Alles wird automatisch von Maschinen hergestellt. Der Faktor Mensch spielt im Arbeitsprozess kaum noch eine Rolle. Wenn der Mensch aber nichts mehr verdient, kann er sich demnächst auch keine Nähmaschine mehr leisten.
Klaus_Carina hat geschrieben:Damals wie heute wurde auf Rationalisierung der Fertigung geachtet, Marken gepflegt. Singer z.B. wurde bis in die späten Achtziger als deutsche Marke und Maschine erachtet, und bei neueren Maschinen auf "schwer" gemacht, um das frühere Vollmetall-image zu halten.
Meine amerikanischen Nähfreunde betrachten Singer als eine amerikanische Marke. Tatsächlich war und ist es eine Weltmarke, die auch in Deutschland produziert und mit deutschen Ingenieuren entwickelt hat. Die Amis kennen die 216G kaum, würden heute allerdings gerne eine besitzen, wenn sie da leicht herankämen.
Es gab nach dem Krieg auf den Nähmaschinenmarkt weltweit einen massiven Preiwettbewerb, ausgelöst dadurch, dass zunächst die Japaner die Technologie einfach abkupferten und die Ware billig auf den Markt brachten. Deutsche Qualitätshersteller, wozu auch Singer gehörte, konnte da nicht mehr mithalten und sie mussten an allen Ecken Produktionskosten einsparen. Singer hat als Marke aus meiner Sicht nur überlebt, weil sie ebenfalls auf Billigware setzte und dabei weltweit bei den günstigsten Teilelieferanten einkaufte.
Klaus_Carina hat geschrieben:Die alten Maschinen und ihr Wert ist nicht Geld-Wert, sondern deren ideller Wert in
unserem Kopf und unserem Herzen. Nicht mehr -aber auch nicht weniger.
Eine Maschine in der Qualität der Singer 216G könnte man heute vermutlich noch herstellen. Für den Hersteller würde es sich allerdings nicht lohnen. Sie würde in der Herstellung um einiges mehr kosten, als damals um 1954. Aber die Verbraucher würden die billigeren Maschine mit viel Schnickschnack bevorzugen, weil sie den Unterschied in großer Mehrheit nicht begreifen.
Für mich war es ein Zufall, dass meine Maschinen immer älter wurden. Zunächst habe ich eine neue gekauft. Dann stellte ich fest, dass die 20 Jahre ältere vom gleichen Hersteller mehr konnte und gebraucht auch deutlich günstiger war. Nähen konnte ich damals noch nicht wirklich. Ich hab das Nähen erst Stich-für-Stich mit einer alten Meister ZZ richtig gelernt. Das war vermutlich mein Glück. Ich glaube nicht, dass ich mit gleichem Erfolg und gleicher Präzision das Nähen mit einer neuen Maschine erlernt hätte. Ich glaube, ich hätte die Geduld dafür nicht aufgebracht und relativ schnell das Handtuch geschmissen.
Wenn ich nicht durch Zufall diesen Weg gegangen wäre, hätte ich heute vermutlich meine neue Nähmaschine noch im Schrank, könnte aber immer noch nicht nähen oder würde mich öfter ärgern, weil das Ergebnis, das aus der Nähmaschine herauskommt, meinen Ansprüchen nicht genügt.