Reparatur einer total verharzten Pfaff 230

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Lanora
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Re: Reparatur einer total verharzten Pfaff 230

#71 Beitrag von Lanora »

nicole.boening hat geschrieben:
Oh fein. Magst du das die gesammelten Ergebnisse hier posten: http://naehmaschinentechnik-forum.de/vi ... =37&t=2785? Vielleicht werden ich den Beitrag noch mal umtopfen und ihn zu einem allgemeinen zum Einstellen der Maschine für ein sauberes Stichbild machen.
Klar mach ich smile sollte ich hinbekommen ...ist wie Freihandsticken mit der Nähmaschine wink
LG Bianca

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hutzelbein
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Re: Reparatur einer total verharzten Pfaff 230

#72 Beitrag von hutzelbein »

Ich habe es fast geschafft, die Maschine wieder relativ leichtgängig und leise zu machen. Noch nicht so perfekt wie meine Pfaff 130, aber die Maschine hört sich inzwischen wieder wie eine Nähmaschine an. Wenn ich langsam nähe, gibt es kaum was zu hören. Je schneller ich nähe, umso lauter wird sie. Vorgegangen bin ich wie folgt:

- Ich habe die Maschine nochmals bei Tageslicht mit Petroleum gründlich gereinigt. Bei künstlicher Beleuchtung habe ich wohl einige Ritzen übersehen. Mein Ohr hatte ich dabei so ziemlich an jeder Reibungsfläche und überall, wo ich nur ein leichtes Reibungsgeräusch gehört habe, gab es eine intensive Sonderbehandlung (Ein Lauschgerät mit Geräuschverstärker hätte ich gut gebrauchen können). Das klappte aber ganz gut und ging so weit, dass ich die Armwelle auch ohne Handrad leicht hin und herdrehen konnte.

- Alle Stellringe im Unterbau habe ich gelöst. Das leichte axiale Spiel, das ich dadurch bei der Greiferwelle und Greiferantriebswelle erreichen konnte, habe ich genutzt, um mit Petroleum auch die Seiten der Wellenbuchsen besser zu bearbeiten. Verstellt habe ich dabei wohl kaum was. Der Greifer wurde mit einer 0,7mm Lehre, die ich mir zuvor für die korrekte Justierung des Spulenkapsel-Anhaltestücks angefertige habe, wieder in die gleiche Position gebracht. Trotzdem musste der Greifer nochmals leicht nachjustiert werden. Diesmal standen geeignete selbstgebastelte Werkzeuge zur Verfügung (eine 2mm Lehre aus Aluminium und etwas ähnliches wie eine Schlingenhubzwinge – ein Teil von einer ausgeschlachteten Riccar, das ich auf die Nadelstange schieben und mit einer Madenschraube befestigen konnte). Alle Stellringe wurden gereinigt und liegen jetzt wieder dicht an den Buchsen an. Das axiale Spiel wurde dabei wieder beseitigt. Kleine Probleme gab es mit dem Stellring an der beweglichen Transporteur-Hebewellenkurbel. Der musste mE dringend gereinigt werden und es war gar nicht so einfach, den wieder richtig zu justieren, so dass alle Bedingungen, die im Technischen Handbuch stehen, wieder gleichzeitig erfüllt wurden.

- Im Kopfbereich habe ich nochmals versucht, die kleine Kurbelwelle ausbauen. Klappte nicht, obwohl ich dank Dieter wußte, wie ich vorgehen muss. In den Madenschraublöchern habe ich ziemlich viel alten schwarzen Öldreck gesehen. Aceton zum Entfernen hatte ich leider nicht. Ich hab den Ausbau der Kopfteile aber genutzt, um mir das Spiel der Excentergabelstange und des Gleitbolzens genauer anzusehen. Außerdem habe ich noch den Spannungsbolzen der Oberfadenspannung gereinigt. Der war immer noch stark verklebt, so dass er sich axial nur schwer bewegte. Den Bolzen von der Oberfadenspannung habe ich auch nicht herausbekommen. Mit Gewalt wollte ich es nicht probieren. Solange die Pfaff Fadenanzugsfeder funktioniert, ist ein weiterer Ausbau nicht erforderlich. Das Oberfadenspannungsmodul habe ich aber zerlegt und dabei auch festgestellt, dass ein Teil falsch herum montiert war.

- Auf der Armwelle konnte ich mit einem genau passenden Holzstäbchen, das ich als Hebel ansetzte, das Ölspiel der Stellschraube (Steuerexcenter) leicht verbessern. Die Arbeit an dieser Stelle hat nach meinem Eindruck relativ viel gebracht. Die Vermutung, dass da bereits jemand auf das Handrad geschlagen hat und danach die Maschine noch schwerer lief, könnte zutreffen. Im übrigen hatte ich an allen Teilen auf der Armwelle alle Schrauben gelöst. Axial verschieben konnte ich dabei nichts und das wollte ich auch nicht, aber die 60-Jahre alten Schrauben bedurften dringend einer Reinigung. Durch die Schraublöcher konnte ich auch die alte Ölsuppe sehen, die sich auf der Armwelle festgesetzt hat. Auch die habe ich rausgeholt, damit die Schrauben auch von unten wieder sauber sind.

- Die Maschine wurde nochmals sehr gründlich justiert (ich habe mich jedenfalls angestrengt und mittlerweile weiß ich, wie ich vorgehen muss. Dieses Wissen kann ich fast 1:1 auch für meine Pfaff 130 gut gebrauchen).

Folgende Probleme will ich noch lösen:

1) Den Zick-Zack Einstellhebel wollte ich noch von der Rückseite reinigen. Anders als bei der Pfaff 130 ist er aber scheinbar auf der Rückseite verschraubt. Wie ich das ganze Teil einfach abnehmen kann, habe ich noch nicht herausgefunden.

2) Ich muss mir noch eine Motorbefestigungsschraube herstellen. Die 1/4" UNC Schrauben, die ich mir bestellt habe, haben genau den richtigen Gewindegang, aber sie sind mit 6,31mm zu stark. Die Pfaff Motorbefestigungsschraube hat mE einen M6 Durchmesser und den Gewindegang von den 1/4" UNC Schrauben (Ich hasse solche Sonderanfertigungen und einen M6 oder 1/4" UNC Gewindebohrer habe ich leider nicht. Zur Not muss ein passender Schraubenausdreher herhalten, wenn es mit Feile und UNC Schrauben als Gewindebohrer nicht klappt lol).

3) Der Pfaff Nadeleinfädler nervt noch ohne Ende. Der ist nicht nur umständlich zu bedienen. Er ist ständig im Weg und irgendwo hackt er fast immer (unter dem Kurvenstück, an der Nähfußfeststellschraube oder am Nadelhalter). Außerdem sind die Schrauben am Einfädler von ziemlich schlechter Qualität und lassen entsprechend keine einfache Feinjustierung zu oder nur mühsam. Könnte sein, dass ich den Zylinderstift noch nicht richtig justiert habe. Wenn ich den zu weit nach rechts verschiebe, funktioniert der Einfädler nicht wirklich und wenn ich den minimal zu wenig rein schiebe, hackt er sich unter dem Kurvenstück in der Lücke zum Nadelstangenzapfen fest. Da bekomme ich ihn dann nicht einfach wieder heraus, muss erst den Zylinderstift wieder verstellen. Er steht jetzt 1mm aus dem rechten Anschlag am diagonalen Schlitz im Einfädlerträger heraus. Das soll nach Renters richtig sein.

Es klapperte relativ laut, so als wenn der Transporteur am Stellring der Transporteurhebewelle oder der Stichplatte anstößt. Tatsächlich war es der Nadeleinfädler, der dieses Klappern verursachte. Es dauerte fast 2 Stunden, bis ich endlich das Zittern des Nadeleinfädlers unter dem Kopfdeckel bemerkte und zur Erkenntnis kam, dass dieses Geräusch nicht vom Unterbau der Maschine kommt – hörbar war dieses Geräusch nur bei relativ schnellen Motorantrieb und je schneller die Maschine lief, umso lauter wurde das Geräusch.

4) Das Tranporteur-Timing oder die Transporteurvorschubbewegung habe mit meiner Pfaff 130 verglichen. Es ist tatsächlich so, dass die Pfaff 130 etwas früher mit der Vorschubbewegung beginnt und entsprechend früher damit fertig ist. Bei meiner Pfaff 130 ist das Transporteur-Timing so eingestellt, dass wenn die Nadelspitze etwa 7mm über der Stichplatte ist (Nähfussunterseite bei hochgestellter Stoffdrückerstange) die Transporteuroberkante auf gleicher Höhe wie die Stichplatte ist. Wenn die Nadelspitze auf Stichplattenhöhe ist, ist der der Transporteur bereits etwa 2mm unter der Oberkante der Stichplatte. Bei meiner Pfaff 230 ist der Transporteur erst dann auf Stichplattenhöhe, wenn die Nadelspitze auf Stichplattenhöhe ist. Es könnte also sein, dass bei der Pfaff 230 die Vorschubbewegung noch nicht ganz beendet ist, wenn die Nadelspitze in einen etwas dickeren Stoff einsticht. Laut Handbuch soll die Vorschubbewegung stimmen, wenn sich die Stellmarke am Transporteurexcenter mit der auf der Armwelle angebrachten Markierung deckt. Das tut sie. Trotzdem könnte es aber auch sein, dass sich, wie Dieter bereits vermutete, die Schnurkette tatsächlich um einen Zahn verschoben hat. Ich weiß nicht, wie ich dieses Problem, soweit es relevant ist, lösen kann. Ausschließen möchte ich nicht, dass sich die Arbeitsmomente des Transporteurs auch bei der Lautstärke bemerkbar machen. Die Schnurkette um einen Zahn auf dem oberen Schnurkettenrad nach hinten schieben (und wieder zurückschieben, wenn die Verstellung nichts bringt oder andere Probleme verursacht) könnte ich natürlich versuchen.

Die Transporteurbewegung stimmt ansonsten in etwa mit der von der Pfaff 130 überein. Verstellen in Höhe oder in Längsbewegung bringt mE nichts mehr. Möglicherweise gibt es aber noch eine Stelle, wo die Lagerstellen der Transporteurhebewelle oder die der Transporteurschiebewelle zu viel Spiel haben. Das werde ich noch kontrollieren und es lässt sich relativ leicht kontrollieren, wenn ich die Schraubverbindungen zur Hebeexcenterstange und zur Excentergabelstange erneut löse. Bislang haben mich nur die Stangen und die Flucht zu den Wellenkurbeln interessiert. Die Transporteurhebewelle und die Transporteuerschiebewelle gehen sehr leichtgängig, möglicherweise weil sie zu viel Spiel haben, was sich erst dann bei der Lautstärke bemerkbar macht, wenn die Maschine relativ schnell läuft. Irgendetwas stimmt im Unterbau noch nicht. Nur was es ist, ist nicht leicht herauszufinden, weil es kein Geräusch gibt, wenn ich nur am Handrad drehe.
Adler 8 - Meister ZZ Automatik - Pfaff 130 - 230 - Phoenix DD 6 - Singer 206D - (u.v.m.)

hutzelbein
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Re: Reparatur einer total verharzten Pfaff 230

#73 Beitrag von hutzelbein »

3) und 4) ist erledigt. Der Einfädler funktioniert wieder, nachdem ich die Feile etwas angesetzt habe und die Nadelstange noch minimal verdreht habe. Am Transporteuer-Timing habe ich nicht gefummelt. Wenn ich es versucht hätte, dann wäre die Spannung der Schnurkette auf beiden Seiten des Schnurkettenrades nicht mehr gleichmäßig gewesen. Das hätte ich dann am kleinen Schnurkettenrad wieder ausgleichen müssen und das Ergebnis wäre mE das gleiche gewesen. Ich habe allerdings die Transporteurbewegungsorgane mehr oder weniger komplett neu eingestellt. Jetzt weiß ich wie das geht und habe wieder etwas dazugelernt. Noch nicht ganz verstanden habe ich, wie ich die Arbeitsmomente des Transporteurs in Relation zur Nadel- und Greiferbewegung bei dieser Maschine verstellen könnte. Da müsste ich mE auf der Armwelle bei den Markierungen etwas verstellen und das will ich nicht.

Die Maschine funktioniert aber jetzt relativ leichtgängig und man kann mit der Maschine auch bei Motorbetrieb sehr leise und langsam nähen. Dazu habe ich auch den Motor und den Anlasser generalüberholt.

Klopapier eignet sich auch perfekt als Unterlage, wenn man die Kohleplättchen von einem alten Kohledruck Anlasser reinigen will. Ich lege sie auf Klopapier aus und poliere sie dann von beiden Seiten mit feinsten 1200er Schleifpapier, das bereits ziemlich abgenutzt ist. Da das Klopapier ausreichend rau ist, drehen sich die Plättchen beim Polieren nicht. Außerdem bleibt der Kohleschmutz auf dem Klopapier. Habe gerade so einen alten YDK Hufeisenanlasser zerlegt, die 86 Plättchen poliert und alle Kurzschlusskontakte gereinigt. Die waren stark verkohlt. Jetzt funktioniert der Anlasser wieder wie neu und die Pfaff 230 ist nicht weit davon entfernt. Nähen tut sie wieder einwandfrei. Da gibt es nichts zu meckern.

Bilder poste ich noch, wenn auch der Holzkasten, den ich für die Maschine gebaut habe, fertig lackiert ist. Die Maschine ist blitz-blank geputzt und an keiner Stelle gibt es noch altes Öl zu sehen. Im Grunde habe ich fast alle Gelenke der Maschine aufgeschraubt und gereinigt, dabei eine Als-Ob-Demontage der gesamten Maschine durchgezogen und kaum was verstellt. Der Lerneffekt war groß, die Zeitverschwendung leider auch. In keine Maschine habe ich bislang auch nur annähernd so viel Zeit investiert, wie bei dieser Pfaff 230. Ich denke jeder Fachbetrieb hätte diese Maschine sofort entsorgt und bestenfalls Ersatzteile abgebaut.

Für mich war es aber abschließend ein Erfolg. Auch diese fast hoffnungslose Maschine habe ich vor der Verschrottung gerettet und bei der nächsten Pfaff 130 oder 230 weiß ich hoffentlich, wie ich vorgehen muss.
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Re: Reparatur einer total verharzten Pfaff 230

#74 Beitrag von Hosenkürzer »

Hallo hutzelbein,

nein, Du hast keine Zeit verschwendet.

Du hast ein Stück Präzisionsmechanik, das so nicht mehr erzeugt wird und nie mehr erzeugt werden wird, von der Vernichtung gerettet und damit ein Zeichen gegen Wegwerfmentaliät und Ressourcenverschwendung gesetzt.

Das kann, wie Du geschrieben hast, kein kommerzieller Betrieb leisten, weil es niemand bezahlen kann oder will.

Dabei bist Du einem Hobby nachgegangen, das Dir Spaß macht, hast etliches gelernt und Dir selbst ein Erfolgserlebnis bereitet. Was willst Du mehr? Alles gut!

lG Helmut

Eisbärin
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Re: Reparatur einer total verharzten Pfaff 230

#75 Beitrag von Eisbärin »

...bewunderswert, diese Ausdauer zu lernen und zu verstehen, zu reinigen....zu erhalten!!
Danke für den ausführlichen Bericht!
Grüße, Sylvia.
www.geschichtenkissen.de

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nicole.boening
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Re: Reparatur einer total verharzten Pfaff 230

#76 Beitrag von nicole.boening »

hutzelbein hat geschrieben:Bilder poste ich noch, wenn auch der Holzkasten, den ich für die Maschine gebaut habe, fertig lackiert ist. Die Maschine ist blitz-blank geputzt und an keiner Stelle gibt es noch altes Öl zu sehen. Im Grunde habe ich fast alle Gelenke der Maschine aufgeschraubt und gereinigt, dabei eine Als-Ob-Demontage der gesamten Maschine durchgezogen und kaum was verstellt. Der Lerneffekt war groß, die Zeitverschwendung leider auch. In keine Maschine habe ich bislang auch nur annähernd so viel Zeit investiert, wie bei dieser Pfaff 230. Ich denke jeder Fachbetrieb hätte diese Maschine sofort entsorgt und bestenfalls Ersatzteile abgebaut.

Für mich war es aber abschließend ein Erfolg. Auch diese fast hoffnungslose Maschine habe ich vor der Verschrottung gerettet und bei der nächsten Pfaff 130 oder 230 weiß ich hoffentlich, wie ich vorgehen muss.
Ich hätte gerne Details zum Holzkasten - ich plane gerade einen in der absoluten Zeit- und Material-spar- und minimal Werkzeugverfügbarkeitsversion und könnte Anregungen gebrauchen.
Liebe Grüße und eine gute Nacht.
Näh und schraub wie du dich fühlst.

Neues Video: Nähen in Zeiten des Klimawandels ... die Tretmaschine.
https://youtu.be/-S44axYkxi4?si=2xkYSDK2GMLjh64E

conny
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Re: Reparatur einer total verharzten Pfaff 230

#77 Beitrag von conny »

Das interessiert mich auch. Freue mich schon auf Fotos.
Gruß
Conny

--------------------------------------------
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hutzelbein
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Re: Reparatur einer total verharzten Pfaff 230

#78 Beitrag von hutzelbein »

Hosenkürzer hat geschrieben:Was willst Du mehr? Alles gut!
Problem ist, dass ich Perfektionist bin und ziemlich genau weiß, wie butterweich leichtgänging und leise meine Pfaff 130 funktioniert. Bei der musste ich nicht viel schrauben, mit Petroleum und Öl war alles getan. Vorgestern hat die Pfaff 230 nach intensiver Petroleumeinspritzung auch relativ leichtgängig (nicht butterweich, so kleine klirrende Nebengeräusche machten sich noch bemerkbar) und leise genäht. So leise, dass sie vermutlich beim Langsamnähen niemand im Haus gehört hätte. Gestern hat sie mich wieder fast wahnsinnig gemacht. Mein Pfaff ELTE Typ PE 35 Motor wollte sich mit der Maschine nicht anfreunden. Es war deutlich zu merken, dass es ohne Motor da noch irgendwo deutliche Reibungstellen oder leichte Verklemmungen in der Maschine gab. Innerhalb einer Umdrehung des Handrades ging es teilweise sehr gut und leicht (bergab) und teilweise ging es weniger gut (bergauf). Irgendetwas störte und bremste die Leichtgängigkeit. Ich war verzweifelt und wusste nicht, wie und wo ich noch suchen soll. Versucht habe ich doch bereits so ziemlich alles und kaum eine Ritze habe ich übersehen. Wenn es noch viele mögliche Stellen gibt, die denkbarer Verursacher sein können und wenn sich das Geräusch nicht eindeutig isolieren oder lokalisieren lässt, kann man die richtige Stelle nur relativ schwer finden. Das ist fast wie die Suche der Stecknadel im Heuhaufen.

In diesem Zustand, so dachte ich mir, kann ich diese Maschine weder mir noch jemand anderem zumuten. Das Problem ist ein Dauerbrenner. Zum Wegwerfen oder zum Verscherbeln als Ersatzteilspender ist die Maschine zu schade, aber als mein Lernobjekt für diverse weitere Demontageversuche ist sie vermutlich genau richtig. Ich habe mich entschlossen, die Maschine notfalls noch total zu zerlegen, notfalls auch mit Gewalt. Sinnlos zerstören wollte ich Maschine aber nicht.

Also habe ich mich entschieden, es nochmals zu versuchen, die Greiferwelle und die Greiferantriebswelle auszubauen. Gescheitert bin ich zunächst am hinteren Teil des Zahnradgehäuses. "Wenn ich das nicht nach hinten verschieben kann, bekomme ich die Greiferwelle und damit auch die Greiferantriebswelle unmöglich raus. Das Ding ist aus Spritzguss und wenn ich da mit Hölzchen und Hammer draufschlage, ist es schneller defekt als du denkst" (Ich dachte an die Zick-Zack Excenterbuchse meiner Singer 206, die war ursprünglich auch aus Spritzguss. Nachdem ich den Kunststoffhammer einsetzte, blieb nur noch die Option übrig, die gesamte Buchse orginalgetreu aus Aluminium nachzubauen). Auch mit WD40 und Föhn schaffte ich keinen Bruchteil eines Millimeters. Als nächste Baustelle hatte ich das kleine Schnurkettenrad bereits im Auge. Das wollte sich auch keinen Millimeter axial bewegen. "Da brauche ich wohl einen Abzieher, sonst geht das auch nicht."

Den Greifer selbst habe ich mir im ausgebauten Zustand auch genau angesehen. Der war zwar sauber und geölt, aber wie ein neues Kugellager drehte er sich nicht. Da waren auch zwei bis drei Minikörnchen Sand im Spiel, die ich noch finden musste. Aber die Probleme, die ich hatte, verursachte der Greifer wohl nicht. Auch ohne Greifer in der Maschine gab es die. Das war schon mal eine wichtige Erkenntnis.

Die Nadelstange konnte ich diesmal samt Einfädler komplett ausbauen und schön reinigen. Das war kein Problem, nachdem ich den Stift oben an der Nadelstangenschwinge samt hochgeklappter Schwinge einfach von der Seite rausklopfte. An der kleinen Nadelstangengliedkurbel habe ich dann gewaltbereit die Rohrzange angesetzt. Da vermute ich noch eine leichte Verklemmung oder eine dicke Ölschicht im Fadenhebelgelenk. Raus bekam ich die erneut nicht und das ärgerte mich. Ich konnte sie aber ein wenig radial hin- und herbewegen und habe dabei möglicherwerweise eine Verklemmung aufgelöst. Dabei bemerkte ich auch, wie gefährlich das ist, wenn ich die ganz ausbauen würde. Die muss millimetergenau ausgerichtet sitzen und die Madenschraube muss genau die abgeflachte Stelle an der Kurbel treffen, sonst besteht die Gefahr, dass das Nadelstangenglied nicht exakt auf der Kunststoffführungplatte gleitet. Dieses Führungsplättchen habe ich diesmal auch ausgebaut, weil ich eine leichte Kantenbeschädigung im oberen Teil entdeckte, die ich dann wegpoliert habe. Danach habe ich das Teil um 180° gedreht wieder eingebaut. Die Kantenbeschädigung ist jetzt unten und stört da wohl nicht mehr.

Denkpause. Ich dachte daüber nach, wie ich die Maschine noch weiter zerlegen kann und wollte hier im Forum bereits heulend (den "unterfränkischen Josef" Dieter, der vermutlich bei Meister in Schweinfurt noch in die Lehre ging" wite ) um Hilfe bitten. Auch den Zick-Zack Mechanismus könnte ich mal zwecks Erkenntnisgewinn versuchen zu zerlegen, wenn ich den Dieter nerve und herausfordere, dachte ich. "Übung macht den Meister und mühsam ernährt sich das Möchtegern-Edelschrauber-Eichhörnchen." beerchug

So kam ich endlich auf die glorreiche Idee. Greifer und vorderer Teil des Zahnradgehäuse waren bereits abmontiert, alle Madenschrauben vom Stellring der Greifantriebswelle und vom kleinen Schnurkettenzahnrad waren entfernt. Der Stellring wurde zur Seite geschoben. Die Furchen von den Madenschrauben wurden mit feinstem ölverschmierten Schleifpapier wegpoliert. Dann habe ich mit einem Rundstift aus Metall auf das Ende der Greiferantriebswelle, da wo das kleine Schnurkettenzahnrad befestigt ist, geschlagen. Die Welle bewegte sich und es löste sich das kleine Schnurkettenzahnrad leicht axial von der Welle. Das gleiche wieder leicht zurück von der anderen Seite. Und dann nochmal von der Schnurkettenzahnradseite. Wow! Endlich ging die Greiferantriebswelle auch ohne vorherigen Ausbau der kleinen Greiferwelle problemlos aus den langen Wellenbuchsen heraus. Ich konnte die sichtbar hochwertige Pfaff Greiferantriebswelle wie neu polieren, die langen Buchsen reinigen, das kleine Schnurkettenzahnrad toll abschmiergeln, das große Schnurkettenzahnrad und die Schnurkette perfekt reinigen und (das ist mE die wichtigste Erkenntnis in diesem Thread) ich konnte hören, wie sich die Maschine nach Demontage der Kopfteile, ohne Greiferwellen, ohne Greifer, ohne jegliche Transporteurbewegung und ohne Schnurkettenbewegung) anhört. Die kleine Greiferwelle konnte ich nicht demontieren. Das hintere Teil vom Zahnradgehäuse war immer noch im Weg. Aber die Welle hatte nach Ausbau der Antriebswelle extrem viel leichtgängiges axiales Spiel. Das sah gut aus und die Maschine lief jetzt extrem leichtgängig. Ich fühlte mich bereits wie der sichere Sieger.

Als die Maschine wieder perfekt zusammengebaut und justiert war, gab es immer noch dieses leise und leicht klirrende Geräusch. Erneut war ich ziemlich verzweifelt. Mit Blick auf die Teileliste auf Seite 2 im Technischen Handbuch ist mir dann aufgefallen, dass ich den Gleitbolzen am Stichsteller (zwischen Excentergabelstange und Handrad, in etwa in der Mitte vom Gehäuse, von oben kaum sichtbar) bislang zu wenig bearbeitet habe. Da habe ich nochmal ordentlich Petroleum und Öl eingespritzt und auch in die oberen Armwellenbuchsen. Danach gab es aus so ziemlich allen Handradpositionen kräftiges Hin- und Herbewegen des Handrades. So etwa eine Viertelstunde habe ich wie verrückt hin- und hergedreht. "Ja, jetzt läuft die Maschine endlich fast so butterweich leichtgängig wie meine Pfaff 130. Ein wenig fehlt noch, aber Nebengeräusche gibt es nicht mehr und es gibt plötzlich eine bemerkenswerte Gleichmäßigkeit bei Leichtgängigkeit und Geräusch. Den minimalen Rest vom Problem bekomme ich vermutlich nach wiederholter gründlicher Komplettreinigung und neuer Ölung mit Motoreinsatz noch gelöst."

Bei Renters Band 3, Seite 294 "Maschine hat schweren Gang" steht:
"Es ist schlechtes Öl verwendet worden, das sich in den Lagerstellen verdickt hat: Lager mit Petroleum reinigen. Maschine uneingefädelt tüchtig durchlaufen lassen und mit gutem Öl nachölen. Ist dadurch kein leichterer Gang der Maschine zu erreichen, so muss die Maschine demontiert werden."
Das war für mich Thema dieses Threads. Die Teil-Demontage einer 60 Jahre alten Pfaff Maschine in einem total verharzten hartnäckigen Fall. Das Thema ist leider noch nicht vollständig abgehandelt. Der Zick-Zack Mechanismus ist bei Pfaff 130 und 230 Maschinen angeblich oft verharzt. Das war bei dieser Pfaff 230 Maschine mE das geringere Problem. Wie ich den Zick-Zack Mechanismus aber ausbauen und vollständig reinigen kann, würde ich schon noch gerne wissen. Vielleicht versuche ich es bei dieser Maschine auch noch, nur wegen der Erkenntnis, die ich dabei gewinne.
Zuletzt geändert von hutzelbein am Dienstag 4. April 2017, 14:52, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Reparatur einer total verharzten Pfaff 230

#79 Beitrag von hutzelbein »

nicole.boening hat geschrieben:Ich hätte gerne Details zum Holzkasten - ich plane gerade einen in der absoluten Zeit- und Material-spar- und minimal Werkzeugverfügbarkeitsversion und könnte Anregungen gebrauchen.
Liebe Grüße und eine gute Nacht.
conny hat geschrieben:Das interessiert mich auch. Freue mich schon auf Fotos.
Dazu braucht man etwas handwerkliches Geschick. Das habe ich ererbt. Müttlerlicherseits waren 2 Generationen meiner Vorfahren Schreinermeister. Väterlicherseits waren mindestens 5 Generationen alles Damenschneider. Einer war angeblich sogar Hofschneider bei einem Fürsten. Zum Holzkastenbau braucht man neben Geschick:

- eine Gehrungssäge. -->So ein Teil<-- entspricht den Minimalanforderungen. Alle gegenüberliegenden Leisten müssen exaxt die gleiche Länge und sollten einen genauen 90° Winkel haben.

- eine gute Scheifmaschine (einen guten alten AEG Schwingschleifer habe ich von meinem Onkel geerbt), mit der man alle Unebenheiten und Holzpastereste perfekt, eben und glatt, wegschleifen kann.

- Ponal Holzleim (Holzteile von beiden Seiten mit Leim gut einstreichen ist imo sehr wichtig. Bei allen seitlichen Verklebungen, beim Ankleben der Dreikantleisten und der Bodenplatte)

- Mangels passender Zwingen und anderer Werkzeuge verwende ich Holzschrauben für den erforderlichen seitlichen Pressdruck

- Bonal Holzpaste. Die Holzschrauben drehe ich relativ tief rein und verstecke sie dann mit Bonal Holzpaste. Zur Anfertigung der Bohrlöcher braucht man eine Bohrlehre. Die kann man sich selbst anfertigen. Dazu braucht man natürlich eine Bohrmaschine und einen Meßschieber. Anbohren tue ich immer von den Innenseiten der Leisten, damit zumindest die Bohrlöcher genau aufeinandertreffen.

- Hartholzleisten aus Buche. Die besten in unterschiedlichen Stärken hat mE Bauhaus. Obi, Toom und andere können da nicht mithalten. Die sind aber nicht billig. Passende Weichholzleisten vom Sperrmüll gehen auch. Die sind aber meistens relativ empfindlich.

- Eine Dreikantleiste für die Eckverleimung. Die kann man mit Leimzwingen (ich verwende 4 Extrastarke mit Feder) perfekt in die Ecken der Kästen als zusätzliche Stabilität hineinleimen

- 3mm MDF Holzplatten für den Boden. Eine einfache Schrankrückwand vom Sperrmüll geht auch.

- Das Wichtigste. Man braucht geeignete Schaniere aus einem alten Nähmaschinenschrank mit passenden Bolzen. Zum Kaufen gibt es die mE nicht mehr. Wenn doch, habe ich die Lieferquelle noch nicht entdeckt.

- Vom Beizen des Holzes habe ich keine Ahnung. Wer es genau wissen will, kann mal Google verwenden. Da gibt es alte Fachbücher (als Google-Books einsehbar), wo die Holzbearbeitung mit Beize bestens erklärt ist. Ich verwende, weil für mich am Einfachsten, feinste und transparente Künstler-Acrylfarben (z.B. von Royal Talens aus der Amsterdam Expert Serie: Transparentoxidgelb, Transparentoxidbraun und Siena Natur (halbtransparent)). Dünner Auftrag. Besser mehrmals sehr dünn (mit Wasser verdünnbar) als einmal zu dick. Man kann tatsächlich auch Wasserfarben verwenden.

- Als Schlussfinish für die Acryl oder Wasserfarben verwende ich Lascuax-Transparentlack (ebenfalls auf schnelltrocknender wasserverdünnbarer Acrylbasis). Das kann man ebenfalls zweimal relativ schnell hintereinander wiederholen. Das trocknet sehr schnell in ca. 1/2 Stunde auf, ähnlich schnell wie auch die Acrylfarben.

- Zum Schluss, wenn alles bereits perfekt aussieht und keine Nachbesserung mit Acrylfarbe mehr erforderlich ist, verwende ich einen Holzsiegel Klarlack auf Alkyd Harzbasis (Treppenlack). Mit dem Avena Color Klarlack aus der Sprühdose, bei Netto-Online günstig erhältlich, geht es auch bestens. Dieser Klarlack braucht aber zum vollständigen Durchtrocknen etwa 14 Tage und es stinkt zunächst etwas nach Farbe. Verdünnbar ist dieser Lack nur mit Universal Verdünnung.
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Re: Reparatur einer total verharzten Pfaff 230

#80 Beitrag von nicole.boening »

Hallo zurück,
wie man Holz bearbeitet, weiß ich - hier steht ein Tisch in meinem Wohnzimmer, den ich aus einem Stamm Esche gefertigt habe. Eigentlich würden mich die Maße interessieren. Wie hoch, breit, lang ist dein Kasten? Nimmst du eine Deckplatte mit ausgesägten Rundungen in die du die Platte deiner Maschine einlässt? Wenn ja, wie weit lässt du deine Maschine nach oben überstehen, damit du die Greiferabdeckung noch öffnen kannst? Oder lässt du die Maschine aufliegen und hast das Problem gar nicht? Wie groß und in welcher Form siehst du die Auflagefläche für die Maschine vor? Wie viel Spiel gibst du der Flachbettplatte deiner Nähmaschine zur Deckplatte des Kastens? Ich werde übrigens keine Halterungen mit den Pins für die Maschine einbauen - da ich eine schnelle Lösung für viele Maschinen brauche und wie du bereits festgestellt hast, diese Halterungen mit den Pins nicht mehr hergestellt werden. Vielleicht kann ich das ja noch mal irgendwann nachrüsten. Eine Gehrungssäge ist übrigens keine Minimalanforderung - es gibt noch wesentlich niederschwelligere Verbindungsarten, wenn man von denen nicht zurück schreckt. Und hey - ich möchte keinen Designpreis für meinen Kasten. Aber Maße wären wirklich prima. Willst du einen Deckel dazu bauen? In dem Fall muss der Kasten ja etwas größer sein. Oder planst du ein Fach ein? Ach - das ist so spannend.
Näh und schraub wie du dich fühlst.

Neues Video: Nähen in Zeiten des Klimawandels ... die Tretmaschine.
https://youtu.be/-S44axYkxi4?si=2xkYSDK2GMLjh64E

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