SD 28 - Junkers & Ruh

Alte und selten gewordene Maschinen, oft als Dekoobjekte zu finden.
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Henry Leder
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SD 28 - Junkers & Ruh

#1 Beitrag von Henry Leder »

Hallo,
ich möchte hier gerne die Ssttlernähmaschine SD 28 von Junkers und Ruh bündeln. Es gibt zwar bereits einige Beiträge zur Maschine, aber man muß danach immer suchen. Die SD 28 ist insofern besonders, als sie in ihrer Konstruktion eine herforragende Leistung in guter Schlosserarbeit und Leistungsfähigkeit darstellt.
Ich denke, das hat schon ein eigenes Thema verdient.

Da ich selbst mit dieser Maschine immer noch arbeite, fehlen mir natürlich immer wieder mal Teile, Nadeln sowieso. Spulen auch. Zubehör, wie Spulenkurbel und dergleichen fehlt auch.
Also habe ich mich mal daran gemacht, meine Künste zu nutzen und selber Nadeln zu produzieren, die in dieser Maschine auch funktionieren.
Nicht so einfach, man muß viele Vorgaben berücksichtigen, damit alles funktioniert.
Meine Nadeln sind ungefähr wie die originale No.5. Heute heißt die Stärke NM 160. Ich kann sie in Lederspitz und in Rundspitz bauen. In NM 160 und in NM 200 in Lederspitz. Der Stahl ist originaler Silberstahl (daraus sind Nähnadeln gefertigt), was bedeutet, daß die Haltbarkeit und Eigenschaften wirklich da sind.

Ich fertige die Nadeln mit Fräsung am Schaft, audgerichtet, gebogen und gehärtet und Probe genäht auf meiner Maschine. Auch Spulenkörper baue ich inzwischen. Diese sehen vielleicht nicht ganz perfekt aus, da sie aus Edelstahl und weich gelötet sind, laufen aber gut. Man braucht dann nicht den alten Faden abzuwickeln, nur um eine andere Farbe oder Stärke zu nähen... Da sind mehrere Spulen doch hilfreich.

Ein Video mit einer selbst gebauten Nadel gibt es unter dem LINK:
https://www.youtube.com/shorts/3elY989Q3eI

Ich bin nun gespannt auf Eure Rückmeldungen.

Gruß
Henry Leder

Ostrod
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Re: SD 28 - Junkers & Ruh

#2 Beitrag von Ostrod »

Nadeln selber bauen. Ich würd nicht mal auf die Idee kommen. huh

Tolle Sache!

Gruß, Lukas
Geist ist geil!

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js_hsm
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Re: SD 28 - Junkers & Ruh

#3 Beitrag von js_hsm »

Henry Leder hat geschrieben: Samstag 9. Dezember 2023, 14:43 Meine Nadeln sind ungefähr wie die originale No.5. Heute heißt die Stärke NM 160. Ich kann sie in Lederspitz und in Rundspitz bauen. In NM 160 und in NM 200 in Lederspitz. Der Stahl ist originaler Silberstahl (daraus sind Nähnadeln gefertigt), was bedeutet, daß die Haltbarkeit und Eigenschaften wirklich da sind.

Ich fertige die Nadeln mit Fräsung am Schaft, audgerichtet, gebogen und gehärtet und Probe genäht auf meiner Maschine.
Hut ab...

Kannst Du die Fertigungsschritte mal mit Bildern dokumentieren ?

Gruß, Achim
Der Maschinen(um)bauer
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Henry Leder
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Re: SD 28 - Junkers & Ruh

#4 Beitrag von Henry Leder »

Hallo Achim,
ja, wenn ich im neuen Jahr wieder welche mache, werde ich daran denken.

Eigentlich mogle ich ja etwas. Ich habe Rohlinge, die bereits das Öhr drin haben. Auch die Spitze ist vorgeformt.
Silberstahl ist ein Spezialstahl für Nähmaschinennadeln. Dieser hat besondere Eigenschaften. So darf die Nadel nicht brechen, wenn diese stark gebogen wird. Sie geht trotzdem wieder in die Ausgangsform zurück.
Das ist natürlich für die Nadel der SD28 nicht förderlich..., die muß nämlich eine ordentliche Biegung haben und diese dann behalten. Der Radius muß auch sehr perfekt sein, da sonst das Leder beim Nähen unter dem Fuß herausgezerrt würde. Also genau der Radius, den der Nadelarm auch beschreibt.

Darum wird im ersten Schritt die Härte aus dem Rohling genommen. Danach spanne ich sie in eine extra angefertigte Biegevorrichtung, um den korrekten Radius zu bekommen. Dabei muß die Ausrichtung des Nadelöhr besonders beachtet werden. Dann wird das ganze zur Glut gebracht und gebogen. Nach dem Erkalten muß die richtige Biegung überprüft werden. Ggf. nachjustieren. Die Nadel darf auch nicht ausgeglüht werden, da sie sonst nicht wieder mit meinen "Heimwerker-Methoden" zu härten ist. Wer hat schon flüssigen Stickstoff zu Hause und kann mit dem gefährlichen Zeugs umgehen ... ?
Dann wieder härten. Danach wird der Sitz der Ausfräsung am Schaft geschliffen, da ich keine Fräser für Hartmetall habe. Dank Dremel klappt das aber.
Hinterher muß alles stimmen, damit die Nadel auch richtig nähen kann. Die Biegung, die Ausrichtung des Öhr, die Fräsung im Schaft an der richtigen Position...
Danach noch polieren von Hand. Das alles dauert schon mal 2 Stunden. Das ist viel Aufwand für eine Nadel. - Ja -.
Aber wenn man bedenkt, daß man ansonsten eben gar keine Nadel hätte, denke ich, ist es zu verstehen.

Natürlich überprüfe ich meine Arbeit an meiner Maschine. Jede Nadel wird Probe genäht. Und wenns nicht paßt, ... noch einmal von vorne...
Leider sind die zu verwendenden Rohlinge (weil, wer kann schon Nadelöhre und Rillen in so einen Strang einbringen???) nur in Nm 160, Nm 180 und Nm 200 zu bekommen. Ab 100 Stück aufwärts. Also absolute Haushaltsmengen... und teuer sind sie außerdem.

Die Spulen fertige ich aus Stanzlingen aus Edelstahl (18/10, u.a.). Die Scheiben werden mittig mit Loch versehen. Bohren geht leider nicht, da das Material dünner als 1 mm ist. Auch brauche ich einen Kragen, um nachher den Mitteldom einzulöten. Darum habe ich dafür ein Spezialverfahren erdacht. Das klappt inzwischen, dauert aber. Die runden Stanzlinge sind auch leider bisher nicht mehr zu bekommen. Die Firma, die mir diese gefertigt hat gibts nicht mehr. Ich habe also nur noch Restbestände. Auch die Kragenmuttern, die ich für den Dom in der Mitte der Spule verwende, sind aus Edelstahl und nicht mehr zu bekommen. Die habe ich mal als Leiharbeiter irgendwo ausbauen müssen. Da sie eigentlich in den Müll sollten, konnte ich sie mitnehmen.
Dann muß das Ganze verheiratet werden. Also eine Scheibe unten, Dom rein und eine Scheibe oben drauf. Die Stanzlinge müssen vorher gerichtet werden.

Das verheiratete Konstrukt ausrichten und löten. Eigentlich läßt sich Niro ja nicht weich löten. Aber ich habe inzwischen eine Substanz, die mir das eben doch ermöglicht.
Dann kommt das fertige Rohteil auf den speziell angefertigten Schleifapparat und wird auf 27 mm Durchmesser herunter geschliffen und zentrisch ausgerichtet. Bisher war das Ganze eher etwas eierig und schief.
Am Ende wird noch das Mittelloch auf 4,5 mm aufgebohrt. Edelstahl läßt sich aber nicht so einfach bohren. Darum auch hier wieder einebesonderen Bohrer. 30 € pro Stück ... Die kann man im Industriebedarf kaufen.

Am Ende müssen noch alle Kanten entgratet und poliert werden, damit der Faden schließlich gut läuft.

... und dann kann man endlich wieder nähen!

Ach, ja, man braucht auch eine gehörige Portion an Herzenergie und handwerklichem Können, um für die alten Schätzchen so was zu machen. Und Toleranz der Ehefrau (es stinkt, ist laut und der "Alte" ist lange im Keller... Kinder betet, Papa lötet!!!)

Aber echte Liebe hilft dabei.

Und dann wird scheinbar Unmögliches doch machbar.
Nun habe ich mich schon seit meiner Jugend mit vielen schwierigen Dingen beschäftigt. Erst wurden die Mofas der Kumpel auf eine ansprechende Geschwindigkeit gebracht, später der alte Goggomotor mit neuen (Remake) Kopfdichtungen versehen (der lief nachher 110 km schnell!), dann irgendwann im Wald die "Torpedo 3-Gang" bei NAcht auseinander und wieder zusammen gebaut. Als Licht nur ein Feuerzeug... Und dann kam ein Kumpel, der brauchte einen Ledersitz für ein BMW-Gespann von 1927... Da hatten sich schon andere dran versucht, sind aber zu keinem ordentlichen Ergebnis gekommen. Und als alle sagten, das geht nicht, brauchst Du gar nicht versuchen... dann kam einer, der hat es einfach gemacht. - Heute arbeite ich immer noch sehr gerne mit Leder.
Und so kam Eins zum Anderen. Inzwischen bin ich so was wie Spezialist für das unmöglich scheinende. Meine Tochter hat immer gesagt: "Mein Papa kann alles reparieren". Manchmal glaube ich das sogar...

Die weiteste Reise haben meine Nadeln nach Irland gemacht. Dort lebt ein Mann, der Schuhe nach keltischem Vorbild macht. So wie sie an den Moorleichen gefunden wurden. Nur eben neu und mit ordentlichen Solen. Sehenswert. Aber leider kein Taschengeld. Ist halt Handarbeit.
https://www.celticshoes.ie/
Schaut mal rein...

Ich hoffe, ich konnte etwas helfen. Im Anhang noch ein Foto von den Nadeln.
Henry Leder
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js_hsm
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Re: SD 28 - Junkers & Ruh

#5 Beitrag von js_hsm »

Vielen Dank für die ausführliche Beschreibung dazu.
Auf die Bilder freue ich mich auch schon.

Gruß und schönen 2ten Advent.

Achim
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