Hartlöten an Stichplatten

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TOM_MUE
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Hartlöten an Stichplatten

#1 Beitrag von TOM_MUE »

Hallo zusammen,

eine Frage an die erfahrenen Metaller unter euch:

Hat jemand von euch praktische Erfahrung damit, ausgeschlagene bzw. ausgefranste Stichplatten im Bereich des Nadellochs durch Materialauftrag mittels Hartlöten zu reparieren? Ziel wäre, ausreichend Material aufzubauen, um anschließend das originale Nadelloch mit Schlüsselfeilen wieder maßhaltig herstellen zu können.

Ich habe bereits diverse „Bastellösungen“ gesehen, bei denen das beschädigte Nadelloch schlicht größer gefeilt wird. Das hat aus meiner Sicht einen klaren Nachteil: Je größer das Loch um die Nadel, desto stärker kann der Stoff nach unten gezogen werden. Das ist funktional problematisch und aus meiner Sicht keine professionelle Lösung.

Mich interessiert daher konkret:
• Ist Hartlöten für diesen Zweck praxistauglich?
• Welche Lote und Flussmittel haben sich ggf. bewährt?
• Gibt es alternative, dauerhaft belastbare Reparaturmethoden?

Ich freue mich über einen sachlichen Erfahrungsaustausch.

Danke und Gruß, TOM_MUE
fortes fortuna adiuvat

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dieter kohl
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Re: Hartlöten an Stichplatten

#2 Beitrag von dieter kohl »

serv

schon mein Vater hatte eine Hartlöt-Ausrüstung

wir haben dafür normales Messinglot verwendet

beim "auslöten" eines Stichloches haben wir danach eine Dicke Nadel "geopfert" um das Stichloch zentrieren zu können
gruß dieter
der mechaniker

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Achim (js_hsm)
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Re: Hartlöten an Stichplatten

#3 Beitrag von Achim (js_hsm) »

Zu bedenken ist dabei das man beim Planschliefen /-fräsen die Chrombeschichtung beschädigen wird.
Aber wenn es keinen Ersatz gibt....
Ich verwende Silberlot (L-Ag55Sn) und Felder Fußmittel

Gruß, Achim
Der Maschinen(um)bauer
Adler 30,48,67,68,69 Pfaff 130,141,142,145,335,1222, Typical GC20606-18, Sailrite 9" Clone und.....
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Jukianer
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Re: Hartlöten an Stichplatten

#4 Beitrag von Jukianer »

Silberlot hat den Vorteil, dass man mit wesentlich weniger Temperatur als beim Messinglot zum Löten auskommt. Dieses Lot gibt es fertig ummantelt mit Flußmittel überall zu kaufen.
Grüße Anton

TOM_MUE
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Re: Hartlöten an Stichplatten

#5 Beitrag von TOM_MUE »

Hallo zusammen,

vielen Dank für die Tipps. Das hilft mir sehr weiter beerchug
@Dieter der Tipp mit der Nadel zum Zentrieren ist echt schlau - Danke.

@Achim, ja genau - es geht um die Fälle, wo es keinen Ersatz mehr gibt.

@Jukianer, danke auch für den Hinweis zum Silberlot. Die hohe Temperatur beim Hartlöten hat mir am meisten Sorgen gemacht. Ich hatte vermutet, dass sich die ganze Stichplatte verziehen kann.

Viele Grüße und gute Nacht,
TOM_MUE
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sputnik
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Re: Hartlöten an Stichplatten

#6 Beitrag von sputnik »

Wie bereits von den anderen erwähnt geht das. Aber Stichplatten sind normalerweise im Bereich des Stichlochs gehärtet und das geht dann natürlich nicht mehr.
Bei unseren Stickautomaten haben wir alle auf Hartmetalleinsätze umgebaut damit sie länger verwendbar sind. Normale Stichplatten werden heute aus HSS Flachmaterial angefertigt und anschliessend im Bereich des Stichlochs induktionsgehärtet.
Bei modernen Maschinen werden immer mehr Fadenführungen mit Hartmetall-/Keramikeinsätzen ausgerüstet um eine längere Verwendbarkeit bei besserer Qualität zu bewirken. Es gibt auch bereits komplette Spannungen aus Industriekeramik.

Für eine museale Maschine auf der wenig genäht wird ist schweissen oder Hartlöten eine gute Sache um sie am Leben zu erhalten. Man muss aber natürlich die wesentlich geringe Härte des Lots und auch die entstehende Schwächung der Stege dabei in Kauf nehmen. Für Industriemaschinen undenkbar. Vermutlich wird es mit Laserschweissen in absehbarer Zeit Möglichkeiten geben um auch im Bereich der Schweisstelle definierte Härte & Zähigkeit zu erzeugen. Zur Zeit ist das aber meines Wissens noch nicht praxistauglich möglich.

Grüsse vom Sputnik
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Jukianer
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Re: Hartlöten an Stichplatten

#7 Beitrag von Jukianer »

Vermutlich wird es mit Laserschweissen in absehbarer Zeit Möglichkeiten geben um auch im Bereich der Schweisstelle definierte Härte & Zähigkeit zu erzeugen. Zur Zeit ist das aber meines Wissens noch nicht praxistauglich möglich.
Ich wollte das Laserschweißen schon erwähnen. In meiner Berufslaufbahn in der Produktentwicklung habe ich oft winzige Auftragsschweißungen machen lassen. Aufgetragen kann von hart bis weich werden - je nach Anforderungen. Das Besondere, es findet im Umfeld keine Erwärmung statt und deshalb auch kein oder nahezu kein Verzug. Man kann das Teil nach dem Schweißen in die Hand nehmen. So ein Loch in der Stichplatte zuschweißen, bzw. teilweise zuschweißen kostet ein paar Euro, nicht mehr. Meine kleinsten Auftragsschweißungen waren vielleicht 0,2 bis 0,3 mm.
Blättert vielleicht diese Webseite durch, bei denen war ich oft Kunde und sollte eine Info darstellen und keine Werbung: https://www.lpt-laser.at/
Grüße Anton

sputnik
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Re: Hartlöten an Stichplatten

#8 Beitrag von sputnik »

Und von mir noch Anmerkungen zum Silberlot:

Auch Silberlot braucht ~700° zum löten und damit ist der Kohlenstoff im Stahl verbrannt. aufkohlen und härten geht auch nicht mehr weil dann das Silberlot wieder wegschmilzt.
Bei schweren Maschinen (Tapezierer, Sattler, ...) ist die Stichplatte nachher so weich das sie sich durch Druck und Vibration dann dauernd wieder verbiegt.
Der Verzug beim Löten lässt sich anschliessend wieder ausrichten.

Alle fertig ummantelten Hartlote aus Baumärkten etc. die ich bisher getestet habe waren absoluter Müll.

Viel billiger und besser funktioniert es mit Loten von (in Österreich) ÖGUSSA (in Deutschland) von DEGUSSA.
Da gibt es unterschiedliche Lote auch in feinen Drähten und unterschiedliche auf das Material abgestimmte Flussmittel dazu.
Und zusätzlich eine perfekte fachkundige Beratung!

Vorsicht beim Hartlöten/Schweissen! Sauerstoff ist bei falschem Umgang SEHR GEFÄHRLICH !

Grüsse vom Sputnik
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sputnik
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Re: Hartlöten an Stichplatten

#9 Beitrag von sputnik »

Weil die ursprüngliche Frage von Tom nach Reparaturmöglichkeiten war ...

Ich empfinde das Herstellen einer neuen Stichplatte aus HSS-Flachmaterial wesentlich einfacher (so man über die benötigten Kenntnisse und Maschinen verfügt) ... und vor allem ist die dann auch wieder genausogut wie jede andere neue Stichplatte.

Ich hatte einen Kollegen der nach dem 2. Weltkrieg in Österreich bei Singer gelernt hat. Die Lehrlinge mussten damals den ganzen Tag lang Ersatzteile anfertigen.
Der hat aus einem rostigen Nagel Kettenstichgreifer oder aus einem Stück Abfallblech Stichplatten vollständig händisch mittels sägen, feilen, bohren, aufkohlen, härten, anlassen, schleifen und feinpolieren hergestellt ... in der Zeit wo ich noch darüber nachgeacht habe ob sowas überhaupt möglich ist. wink
Ich beneide ihn noch heute um seine Fähigkeiten. rolleyes

Aber mit Fräse, Schleifmaschinen und deutlich mehr Zeit schaffe ich dass auch. smile

Grüsse vom Sputnik
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Ramses
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Re: Hartlöten an Stichplatten

#10 Beitrag von Ramses »

sputnik hat geschrieben: Freitag 19. Dezember 2025, 09:20 Ich empfinde das Herstellen einer neuen Stichplatte aus HSS-Flachmaterial wesentlich einfacher (so man über die benötigten Kenntnisse und Maschinen verfügt) ... und vor allem ist die dann auch wieder genausogut wie jede andere neue Stichplatte.
HSS? Wieso HSS?

Die herausragende Eigenschaft von HSS ist, daß dieser Stahl fast bis zur Rotglut seine Härte behält. Deswegen wird dieses Material ja auch für motorbetriebenes Werkzeug verwendet, wo aufgrund der Leistung solch hohe Bearbeitungstemperaturen auftreten.
Bekanntestes Beispiel sind Bohrer.

Bei einer Stichplatte würde ich Silberstahl verwenden, der dürfte sogar ein ganzes Stück günstiger kommen und einfacher zu besorgen sein.

Ich denke aber, daß kaum ein Laie über das Wissen und das Gerät verfügt, diese Stähle nach der Bearbeitung gescheit zu härten und dann zu vergüten.

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